30 Stunden Flug über der Stadt, 6.000 Kilometer …. 12.000 Bilder. Das sind die Eckdaten zur Entstehung unseres neues Buches “ÜBER MÜNCHEN, Above Munich”.

Aber der Reihe nach. Anfang 2008 arbeitete ich gerade an meinem Buch “Der Mond und die Abenteuer der Apollo-Astronauten”. Eines Tages kam mir im Büro ein schönes Bild der Münchner Altstadt “auf den Bildschirm”, das ich einige Zeit vorher gemacht hatte. Und weil man darauf das Gebäudes der Münchner Herbig-Verlags so schön sah, schenkte ich einen Ausdruck davon meiner Verlegerin, Frau Fleissner-Mikorey. Offenbar gefiel ihr das Bild ganz gut, denn sie fragte mich ob ich denn einen Bildband mit ihrem Haus machen wolle… München in Luftaufnahmen.
Natürlich gefiel mir die Idee, aber mir war auch klar, dass ich nicht genügend wirklich gutes Material für ein solches Buch hatte. Machen wollte ich es aber trotzdem gern. Ich erstellte also einen Zeitplan und stellte fest: es würde Frühling 2009 werden, bis ich mit dem Fotografieren anfangen könnte.
Das Flugzeug
Das zur Verfügung stehende Flugzeug , unsere Piper Warrior (siehe eigenen Artikel) ist alles andere als das, was Luftbildfotografen normalerweise benutzen. In der Regel werden Luftaufnahmen ausschließlich mit “Hochdeckern” gemacht, also aus Flugzeugen bei denen die Flügel unten sind und man deshalb freien Blick nach unten hat. Die Piper aber ist ein “Tiefdecker”, und zudem hat sie vorne lediglich ein kleines trapezförmiges Klappfenster, etwa 10 x 10 Zentimeter groß. Klappt man dieses auf, so hat man zwischen Tragfläche und Rumpf schräge nach unten freie Sicht. Allerdings ist der Winkel den man zur Verfügung hat sehr eng – und da der Flügel im Weg ist, ist auch der Blick direkt nach unten versperrt. Will man freie Sicht nach unten, so muss man das Flugzeug steil kreisen lassen, so daß der Flügel aus dem Weg ist.

Das Foto-Equipment
Vor zehn Jahren bekam ich meine erste Digitalkamera. Es war eine kleine Kodak und sie kostete ein paar hundert Euro! Die Bilder, die sie produzierte , würde man heute von keiner Kamera eines Mobiltelefons akzeptieren. Sie hatten 320 x 240 Bildpunkte, also insgesamt etwas weniger als 77.000 Pixel. Wirkliche Fotografie war damit nicht möglich, diese Kameras waren nicht viel mehr als Partygags.
Nur drei Jahre später hatte ich eine Nikon D100: eine Spiegelreflex mit 6 , 1 Megapixel, also der 80-fachen Auflösung. An ihr konnte ich die professionellen Objektive meiner Nikon F100 verwenden, und mit ihr konnte ich bereits professionell fotografieren. Ich erledigte damit wichtige Jobs wie etwa den Auftrag einer Reportage über die Feierlichkeiten zum 100. Jahrestages des ersten Motorfluges der Wright-Brüder in Kitty Hawk, North Carolina (wo ich sogar den US-Präsidenten vor die Linse bekam!).
Drei Jahre später kam die Profikamera Nikon “D2x” auf den Markt, eine wirkliche Sensation, denn mit ihr wurden erstmals Film-Kameras obsolet. Mit 4.500 Euro war das Gehäuse damals ultrateuer, aber lange konnte ich mich nicht zurückhalten. Nachdem ich die ersten 500 Aufnahmen mit der D2x und den neuen für diese Kamera optimierten Objektiven gemacht hatte, schickte ich alle meine analogen Kameras sofort in den Ruhestand. Mir war klar: Ich würde sie nie mehr benutzen.

Als Ende 2008 ich begann, den Bildband vorzubereiten, war bereits die D3 seit einiger Zeit auf dem Markt, und sogar die D3x war bereits angekündigt worden: 24 Megapixel und rauscharmer Vollformatsensor waren die Eckpunkte der Begierde. Die doppelte Auflösung und eine noch bessere Bildverarbeitung – natürlich wäre das die optimale Kamera für das Projekt gewesen. Weniger optimal war der Preis: 6.999 Euro nur für das Gehäuse. Dazu kommt, dass wegen des größeren Sensors auch neue Objektive fällig wären. Nach langem Studieren einschlägiger Literatur und einigen Testreihen mit großformatigen Ausdrucken wurde mir aber klar, dass ich den Bildband auch mit den 12 Megapixeln der D2x machen konnte.
Man muss sich dazu vergegenwärtigen, dass im Offsetdruck ohnehin nicht mit mehr als 300 Bildpunkten pro Zoll gearbeitet wird. Die Bilder der D2x mit einer Breite von über 4000 Bildpunkten genügten also leicht für das vorgesehene Buchformat mit 31 Zentimeter Breite. Klar, starke Vergrößerungen und Ausschnitte waren nicht möglich, aber das war ohnehin nicht geplant. Es stellte sich schnell heraus, dass es viel wichtiger ist, die vorhandenen Fähigkeiten einer Profikamera wie der D2x voll auszunutzen, gute Objektive zu verwenden und noch einiges über digitale Bildbearbeitung dazu zu lernen. Die Anzahl der Pixel ist sehr viel unwichtiger als man gemeinhin glaubt.
Als fotografischer Autodidakt (auf welchem Gebiet bin ich eigentlich kein Autodidakt?) bemühte ich mich zunächst, noch mehr über die Kamera zu lernen, meine Kenntnisse in der Bildbearbeitung aufzufrischen und zu erweitern und mir Kameraeinstellungen für Luftaufnahmen zu erarbeiten. Bis dahin hatte ich ja zehn Jahre lang – professionell – nur Flugzeuge in der Luft und auf dem Boden fotografiert. Ich hatte also zunächst wenig Vorstellungen darüber, wie die Bilder der Stadt aus der Luft optimal gelingen würden.
Nach einigen Probeflügen hatte ich einige wichtige Erkenntnisse gewonnen:
1. Bei dieser Art von Aufnahmen sind Wetter und Licht (also Tageszeit) die entscheidenden Faktoren. An den Tagen, an denen eine Dunstglocke über der Stadt hing, hätte ich mir das teure Flugbenzin sparen können! Wirklich klare Tage aber sind eher selten.
2. Nachdem ich etwa zweitausend Bilder verwackelt hatte, ging ich dazu über, mit etwas höherer Empfindlichkeit und kurzen Verschlußzeiten zu fotografieren. Die Bilder, die ich schließlich mit 1/1000 Sekunde und Blenden zwischen 5.6 und 11 machte, waren schließlich auch die besten. Lange Verschlußzeiten führten im vibrierenden Flugzeug fast immer zu Unschärfe, und bei großen Formaten sieht man auch die kleinste Unschärfe deutlich!
3. Ich verwendete für das Buch schließlich nur noch meine beiden besten Objektive: Nikon AF-S 70-200mm f2.8 G IF-ED VR und Nikon AF-S DX 17-55/2, 8G IF-ED. Diese beiden Objektive hatten zusammen beinahe 3500 Euro gekostet – jetzt aber konnten sie zeigen, was in ihnen steckt. Besonders positiv finde ich (vor allem an dem Telezoom) die unglaubliche Schärfe bis an die äußeren Ränder des Bildes und die hohe Lichtstärke. Aber auch die robuste Bauweise aus Metall ist für solche Jobs ein echtes Plus.
4. Als klar wurde, dass ich unbedingt ein zweites Gehäuse bräuchte, lieh ich mir bei Nikon Service Point München noch eine D300. Diese hat, wie die D2x 12 Megapixel – und sie hat noch einen weiteren Vorteil. Mit Hilfe zusätzlich installierbarer Firmware kann man sie auf die Farbwiedergabe der älteren D2x einstellen und hat so nahezu identische Farbwiedergabe aus zwei unterschiedlichen Kameramodellen.
Auch ein paar weitere Investitionen in meine Computer-Ausstattung ließen sich nicht vermeiden: ein neuer leistungsstarker PC für die Bildbearbeitung, ein neuer Monitor und die letzten Upgrades meiner Bildbearbeitungssoftware musste her. Ich entschied mich für die D10 Think Station von Lenovo, eine leistungsfähige Core 2 Duo Workstation mir guter Grafikkarte. Dazu noch eine zweite interne Festplatte mit 1 TB, den Lenovo L220x Wide Monitor, 22 Zoll (plus Gretag “Eye One” Hardwarekalibrierung).
An neuer Software legte ich mir zu: Nikon Capture NX2, Raw Converter und Bildbearbeitungs-Software und das Update von der Version CS2 der klassischen Bildbearbeitungssoftware Photoshop auf CS4 . Dazu das Photoshop-Plug-in “Neat Image” zur Rauschreduzierung. Zur Verwaltung und Verschlagwortung der Bilder nutze ich z.T. Adobe Bridge (in Photoshop enthalten) aber teilweise auch Nikon View NX.
Die Fotoflüge
Ganz zu Anfang hatte ich noch geglaubt, dass die Arbeit schneller und qualitativ hochwertiger gelingen würde, wenn ich mich ganz auf das Fotografieren konzentrierte und jemand anderen die Maschine fliegen ließ. Ich machte mehrere Versuche. Mal flog André, dann Horst, schließlich Christian die “Mike Victor”. Einmal saß ich links vorne und der Copilot steuerte, dann probierte ich es hinten rechts und machte die Bilder durch das große Fotofenster, das ich einigen Jahren einbauen lassen hatte.
Mit dem Kopfhörer auf den Ohren kniete ich entgegen der Flugrichtung auf dem Rücksitz und gab dem Captain Anweisungen: “Jetzt eine Rechtskurve… jetzt! .. steiler kurven!… nein, etwas weniger steil….”. Es war unheimlich schwierig, auf diese Weise in die richtige Position zu den Motiven zu kommen – und die Hauptschwierigkeit war, dass mein Flugzeug ein Tiefdecker ist und der Winkel zwischen Tragfläche und Rumpf, beziehungsweise dem Höhenleitwerk, sehr eng ist und man gegen die Flugrichtung nach hinten unten fotografieren muss. Ständig ragte irgend ein Flugzeugteil ins Bild, und es entstanden nur wenige brauchbare Aufnahmen.

Nach drei solchen Flügen war mir klar: Ich würde doch beides machen, fliegen und fotografieren. Schon der erste solche Flug zeigte mir, dass das der richtige Weg war. Nach einiger Zeit hatte ich eine Methode heraus, mit der ich schnell zu guten Ergebnissen kam. Ich ließ den Autopiloten über die Stadt fliegen, beobachtete den Luftraum und stellte erst einmal die Kamera ein. Wenn ich querab zu einem der (vorher geplanten) Motive war, öffnete ich das kleine Fenster, legte das Telezoom auf meinen linken Unteram und hielt die Kamera mit der rechten Hand. Die linke Hand am Steuer de-aktivierte ich mit dem linken Daumen den Autopiloten und steuerte das Flugzeug in einem steilen Kreis um das Motiv und beobachtete den Einfall des Lichtes auf das Motiv. Wenn ich die Sonne so weit im Rücken hatte, dass das Motiv gut beleuchtet war, beugte ich mich schnell nach unten zum Sucher der Kamera, legte den endgültigen Bildauschnitt fest und machte mit der Serienbildfunktion immer drei Bilder auf einmal … nahm den Finger kurz vom Auslöser und machte dann die nächsten drei.

Die Kamera hatte ich auf “Bracketing” eingestellt, sie machte also bei jedem Auslösen drei Bilder mit unterschiedlichen Belichtungen, wobei ich die Blende auf 5.6 oder 8 fixierte und den Rest der Zeitautomatik der D2X (oder D300) überließ. Als Einstellungen für die Belichtungskorrektur nahm ich -0, 7, -0, 3 und 0. Nach den ersten Flügen war klar, dass nur die Aufnahmen mit -0, 7 Stufen Unterbelichtung brauchbar sein würden. Jede “korrekt” belichtete Aufnahme hatte Stellen mit “ausgefressenen” Lichtern, die sich auch in Photoshop nicht mehr retten ließen. Gerade wenn die Sonne auf weiße Hauswände scheint, geht jede Zeichnung in diesen verloren, aber auch viele andere Bildteile sind überstrahlt. Mit minus 0, 7 kam ich am besten zurecht. Das Verwackeln bekam ich erst in den Griff nachdem ich von ISO 100 auf 200 oder manchmal sogar 300 ging und so kürzere Belichtungszeiten möglich wurden. Mit der leichten Unterbelichtung kam ich so auch bei Blende 8 auf 1/1000 Sekunde – und plötzlich waren die Bilder auch wirklich scharf. Extrem hilfreich war dabei die sehr effektive Verwacklungsreduzierung des 70-200-Telezooms, die in der “active”-Einstellung auch einen großen Teil der Flugzeugvibrationen eliminierte.

Nächste Folge: Auswahl und Bildbearbearbeitung, Layout.