Es hat lange gegärt. Angefangen hat es an einem eisigen Januartag 1996 in Duluth, Minnesota. Als einer der ersten Journalisten der Welt durfte ich den ersten (und zu diesem Zeitpunkt einzigen) Prototypen der brandneuen Cirrus SR20 fliegen. Es war nur ein kurzer Flug, anschließend folgte noch der für eine Titelgeschichte des “fliegermagazin” obligatorische Fotoflug. Aber ich war sofort sicher: Soeben war ich in der Zukunft der einmotorigen Luftfahrt geflogen.
Anfang 2013, 17 Jahre nach meinem ersten Besuch in Duluth, fiel der Entschluss eines Morgens spontan und schnell. Ich würde mir jetzt selbst eine Cirrus kaufen. Und zwar keine “vernünftigere” SR20 (was ohnehin nicht stimmt, ) sondern die 310 PS starke SR22. Ich wollte nicht 50 PS mehr (gegenüber der Piper Warrior) – sondern die doppelte Power. Ich wollte auch nicht “besser” über die Alpen kommen, sondern richtig gut. Leistung im Überfluss, nicht einfach nur ein “bißchen mehr”.
Die erste Entscheidung auf dem Weg zur eigenen SR22 war dann aber doch wieder ein Kompromiss. Nachdem ich alles gelesen hatte, was mir in die Finger fiel, zähmte ich meinen Leistungshunger ein wenig und beschloß: SR22 muss sein – aber Turbo muss nicht sein.
Warum keine Turbo?
Klar, jeder den ich zunächst ansprach riet mir zur Turbo-SR22. Und das aus einem Grund: Mit dem aufgeladenen Motor kann man beinahe in Airliner-Höhen mit über 200 KTAS unterwegs sein, also oft “über dem Wetter”. Fliegt man im “Economy Cruise” so ist die SR22 turbo extrem effizient.
Weiteres Nachdenken und Lesen brachte mich aber schnell wieder auf niedrigere Flight Levels. Will man mit Kindern in FL 250 fliegen, alle mit Sauerstoffmasken auf der Nase? Will man die dazugehörigen Logistik und Flugvorbereitung? Wie oft wird man das dann tun? Wer füllt an einem typischen Flugplatz in Italien, Kroatien, Griechenland oder Spanien (oder in Landshut …) die Sauerstoff-Flasche wieder auf? Richtige Antwort: Niemand.
Je länger ich forschte um so klarer wurde mir, dass für meine Anforderungen und mein typisches Einsatzprofil die “normale” SR22 die beste Wahl ist. Zudem: Bis FL100 gibt es praktisch keinen Unterschied in den Flugleistungen zwischen der aufgeladenen und der Saugmotor-Version. Eines ist aber klar: Für IFR-Profis, die viel fliegen und die SR22 als Werkzeug einsetzen ist die “Turbo” das perfekte viersitzige Flugzeug.
Die wichtigsten Argumente gegen die “Turbo” in Stichpunkten
– etwas schwerer, deshalb etwas weniger Zuladung
– kopflastiger und dadurch schlechtere Landeeigenschaften
– noch mehr Technik, und garantiert noch höhere Wartungskosten
– diffizileres Triebwerksmanagement
– komplexes zusätzliches Handling (Sauerstoffanlage, Auffüllen der Flasche…)
– bis 10.000 Fuß praktisch kein Leistungsvorteil gegenüber der “NA” (normally aspirated, also Saugmotorversion)
Welche dann?
Ok, also eine SR22 mit Saugmotor. Nur welche Version? G1, G2, G3 …oder sogar G5? Reicht eine Basisversion, oder muss es unbedingt eine “GTS” mit allen Extras sein? Welche Ausstattung muss sie unbedingt haben? Nun, zwei Varianten schieden frühzeitig aus dem Rennen aus: Wegen dem “Uhrenladen”-Panel kamen die allerersten SR22 für mich nicht in Frage, das wäre in meinen Augen, zumal aus heutiger Perspektive, eine “Themaverfehlung gewesen. Das modernste kleine Flugzeug der Neuzeit, und dann wieder mit altmodischer Avionik? Glascockpit musste also schon mal auf jeden Fall sein.
Ab Ende 2002 gab es zwar bereits die ersten Maschinen mit “Avidyne Entegra”, aber die erste Generation scheint mir im Jahr 2013 einfach noch zu wenig ausgereift. Zudem stieg die Fertigungsqualität über die Jahre stark an. Die ganz neue G5 kommt für mich aus finanziellen Gründen nicht in Frage, auch wenn sie mit ihrem Feinschliff, der enorm erhöhten Zuladung, dem fünften Sitz und der Vielzahl an verbesserten Details zweifellos die beste SR22 ist. Auch G3 sind zum Zeitpunkt meiner Suche noch sehr teuer, und obwohl die G3 gegenüber der G2 eine Vielzahl von Detailverbesserungen aufweist – die G2 fliegt genau so schnell, hat das gleiche Triebwerk, und meistens die gleiche Avionik. Klar, die Zuladung ist durch den leichteren Holm etwas besser, der TKS-Tank in der Fläche (anstatt seitlich im Rumpf) günstiger platziert, das Fahrwerk ist etwas höher. Ich bin nicht sicher, ob mir diese Features den sehr viel höheren Preis wert sind. Immerhin beträgt im Frühjahr 2013 der Preisunterschied zwischen einer späten G2 (2006) und einer frühen G3 (2007) zwischen fünfzig- und hunderttausend Euro.
Eine Übersicht der wichtigsten Versionen der SR22 mit den wichtigsten relevanten Seriennummern:
Generation 1
Die erste SR22 kommt 2001, zwei Jahre nach der SR20, auf den Markt. Sie hat denselben Rumpf wie die SR20 aber einen etwas längeren Flügel mit 81-Gallonen-Tanks. Der Sprung von 200 auf 310 PS mit Hilfe des neun Liter großen Conti IO-550N verhilft der SR22 zu Bonanza-ähnlichen Flugleistungen – bei starrem Fahrwerk. Und während die SR20 zu Beginn noch ein Vakuumsystem hatte fliegt die SR22 schon von Beginn an “all electric”.
#002-141, die “Ur-SR22”. Sechs Rundinstrumente, GNS430 und GNS420, ARNAV MFD, S-TEC30 Autopilot. Optional gab es zwei GNS430, den S-TEC55X A/P, den elektronischen HSI von Sandel und ein Stormscope.
#142-434, zweite “Sixpack”-Version, also immer noch mit Rundinstrumenten. Das Avidyne MFD EX5000C wurde Standard. Neue Optionen beinhalteten “EMax” (Engine Monitoring) und das Kollisions-Warnsystem “Skywatch”. Fast alle Maschinen wurden mit diesen Optionen sowie Stormscope und zwei GNS430 bestellt. Weitere Verbesserungen betreffen den Anlasser (ab #278), das doppelte Auspuffsystem (#320) und die BOSE-Headsetstecker (“LEMO”), die es ab Ende 2002 gab.
#435 bis etwa #819: Die erste Glascockpit-Version mit Avidyne Entegra Primary Flight Display (PFD). Gegen Ende dieser Serie gibt es zudem erstmals die wichtige 6-Punkt-Triebwerksaufhängung mit sehr stark reduzierten Vibrationen in der “Centennial Edition”. Das Enteisungssystem TKS ist erstmals optional erhältlich.
Generation 2
Im Frühling 2004 wurde die zweite Generation der SR22 eingeführt (die SR20-G2 folgte im Sommer). Diese unterscheidet sich insofern grundlegend von der “G1” als der Rumpf mit komplett neuen Werkzeugen gebaut wurde, auch wenn seine äußeren Abmessungen unverändert blieben. Dies führte zu höherer Fertigungsqualität bei effizienterer Produktion und etwas niedrigerem Gewicht.
#820-1230, erste G2-Version. Die “6-Punkt”-Triebwerskaufhängung ist jetzt Standard bei allen SR22. Das Design der Cowling und der Lufteinlässe ist anders, eine neue Version des Hartzell-Dreiblattprops wird eingeführt.
Ab #1230: Das KPG560 ETAWS-System (später umbenannt in “EGPWS”) wird Standard
Ab #1520: Airbags in den Gurten der Vordersitze
Ab #1544 das (in Europa nicht brauchbare) “XM Radio” kommt zur früher schon bestellbaren “XM Weather”-Option hinzu
#1663: Diese Seriennumer markiert den Zeitpunkt an dem Cirrus ein weitgehend verbessertes elektrisches System einführt. Der 60-Ampere-Alternator wird durch eine verstärkte 100-Ampere-Version ersetzt, vor allem aber wird das Herz des elektrischen Systems, die sogenannte “MCU” (Master Control Unit) durch eine weiterentwickelte Version (“MCU130”) ersetzt und fortan auch nicht mehr im (heißen) Motorraum sondern unter dem Instrumentenbrett im Innenraum eingebaut. Das neu eingeführte “DAU” (Data Aquisition Unit) ersetzt das vorheriger “SIU” (Sensor Unit interfaces) – nun können mehr Daten auch auf dem PFD angezeigt werden: Spannung der beiden Elektrik-Busse, die Leistung ders Triebwerks in Prozent sowie (in Verbindung mit der Software-Version 7 von Avidyne) Öldruck und -temperatur.
Das MFD ist nun in der Lage, auch Druck- und Dichtehöhe-Daten zu loggen. Insgesamt, so liest man in allen gängigen Artikeln und Foren soll die neue Elektrik sehr viel zuverlässiger und stabiler sein. Und natürlich sind die zusätzliches Features und Funktionen “nice to have”.
Am einfachsten erkennbar ist diese wichtige G2-Version ab # 1663 an den fehlenden analogen Triebwerksuhren auf der rechten Seite des Panels. Sie hat an dieser Stelle ein Handschuhfach und heißt deshalb “Glovebox Model”.
Weitere Verbesserungen der “G2” sind beispielsweise ab #1863: die auf Wunsch werksseitig installierte Air Condition. Ein gutes Extras für Piloten die in heißen Gefilden beheimatet sind, vor allem wegen des hohen Komforts beim Rollen im Hochsommer – oder in Florida. Andererseits bezahlt man die Klimanlage mit einer Verringerung der Nutzlast um etwa 30 Kilogramm. Ab #2043 ist ein verbessertes Static Air-System eingebaut, auch der Schalter ist besser erreichbar.
Generation 3
Im Frühling 2007 dann kam die nächste Evolutionsstufe der SR22. Die “G3”, wie die Maschine auch offiziell genannt wurde, wies 700 Detailverbesserungen auf – von denen die wichtigste ein neuer Flügel mit vergrößerten Tank und etwas größerer V-Stellung war, der auch die Stabilität des Flugzeugs erhöhte und das “Aileron-Rudder-Interconnect” überflüssig machte, ein Detail an dem sich seit jeher die Geister schieden.
Ab 2008 gab es die SR22 dann auch wahlweise mit dem Garmin-1000-Derivat “Garmin Perspective”, das heute Standard in allen SR20 und 22 ist. G3-Flugzeuge, die mit dem Avidyne-Panel ausgestattet sind hatten allerdings bereits “WAAS”-Versionen des GNS43. Aber Vorsicht: Ganz zu Anfang der G3-Modellreihe wurden auch noch Maschinen mit Non-WAAS-Navigatoren ausgeliefert. Ist einem dieses Feature wichtig sollte man genau hinsehen denn die beiden GNS-430-Versionen unterscheiden sich äußerlich nicht.
(Über die “G3 gäbe es noch mehr zu sagen, aber das dann später an anderer Stelle)
Die Entscheidung ist gefallen
Ich wollte also, so viel wusste ich bald: eine SR22-G2 ab Seriennummer # 1663, das “Glovebox”-Modell mit der verbesserten Elektrik. Von diesem Modell wurden mehr Exemplare als von jeder anderen SR22 gebaut, was man am Höchststand der SR22-Produktion im Jahr 2006 leicht erkennen kann. Aus diesem Grund ist diese Version der G2 auf dem Gebrauchtmarkt auch stark vertreten, und weil so viele SR22 gebaut worden sind, haben auch die Preise nachgegeben. Immer wieder tauchen G2 zu sehr interessanten Preisen auf dem Gebrauchtmarkt auf.
Erstaunlicherweise werden von der SR22 G2 (oder auch G3) eigentlich fast ausschließlich “GTS”-Modelle angeboten, beziehungsweise hochwertig ausgestattete SR22 mit fast allen GTS-Extras. Basisversionen ohne optionale Austattungen sieht man dagagen nur selten auf dem Markt. Hierin spiegelt sich natürlich die Tatsache, dass die GTS schon immer ein echter Verkaufsschlager war, und das obwohl sie ab Werk zirka 100.000 Dollar teurer war als die Grundversion.
Eine klassenüblich gut ausgestattete SR22-G2 hat praktisch immer folgende Ausstattung:
– Avidyne Entegra-Cockpit mit zwei GNS 430, GMA340-Audiopanel, S-TEC55X Autopilot
– Stormscope WX-500 (auf MFD)
– ETAWS KGP560 (auf MFD, nicht zu verwechseln mit der “TAWS”-Funktion der Garmin 430!)
– Skywatch-Antikollisionssystem (auf MFD)
– TKS-Enteisung per Alkohol für Flächen, Höhenleitwerk und Propeller
– CMax Chartview zur Anzeige von Jeppesen IFR-Approach und Airport Charts, aber auch für VFR-Karten (“Bottlang”).
– EMax Engine Monitoring (Triebwerksüberwachung audf MFD und PFD, Lean Assistant und vieles mehr)
Die meisten G2 sind weiss lackiert. Das schöne “Sterling”-Silber wurde erst mit der G3 eingeführt. Viele ältere G2 wurden aber mittlerweile (mehr, oft aber auch weniger gelungen) umlackiert.
Amerikanische Maschinen haben oft noch kein 406-Mhz-ELT, und auch der Mode-S-Transponder fehlt bei vielen. Eingebaut ist dann der Mode-C-Transponder des Typs GTX327 (für Europa aber muss es mindestens der Mode-S GTX328 oder besser der leistungsfähigere GTX330 sein).
Interessant sind Avionik-Updates, die manchmal auf dem Gebrauchtmarkt ohne großen Preisaufschlag zu haben sind. Die interessantesten Upgrades einer G2 sind:
– Digitaler Avidyne DFC90 Autopilot (optimalerweise in Verbindung mit der “Flap Wire”-Option bei der der A/P die Stellung der Flaps erkennt und für sein “Envelope Protection”-Programm berücksichtigt. Mit dem DFC90 bekommt eine G2 einen großen Teil der (Autopiloten-) Funktionalität einer mit Perspective ausgestatteten G3. Zum Beispiel den “IAS Hold”-Modus, einen verbesserten Flight Director und die “Straight & Level”-Taste.- Aviydne MLX770-Iridiumwetter-System inkl. 2-Wege-Kommunikation über SMS oder eMail. Kostet fast USD 12.000 – und darüber ob es wirklich gut ist, scheiden sich die Geister.
– Semiportables oder festeingebautes Sauerstoff-System. Kostet neu (bei “Precise Flight”) extra für die Cirrus ca USD 1800 und scheint mir der perfekte Kompromiss für Piloten zu sein, die auch gelegentlich die Option für hohe Flüge haben wollen.
– Air Condition, als Werksoption für die GTS lieferbar. Nachteil: Um fast 30 kg verringerte Zuladung. Beim Rollen in Italien oder Florida sicher ein wertvolles Extra (für Deutschland wären wahrscheinlich beheizte Sitze und eine Standheizung sinnvoller …)
Welche Avionik soll meine SR22 haben?
Reicht “Avidyne Entegra” oder kommt auch der Hightech-Nachfolger Avidyne “R9” in Frage? In manchen gebrauchten Maschinen wird “R9” mittlerweile angeboten. Genügt der serienmäßige S-TE55X-Autopilot oder muss es der DFC90 sein?
Hier ein kurzer Überblick über die grundsätzlichen Avionikvarianten der SR22:
– Uhrenladen plus MFD, eventuell mit elektronischem HSI
– Avidyne Entegra, Standardglascockpit bis 2007
– Garmin Perspective, High Tech-Wachablösung des Entegra in der Cirrus
– Avidyne R9, ein Retrofit-Glascockpit auf Perspective-Niveau (aber grafisch schöner und mit interessanten Features)
Man muss nicht lange forschen, dann ist schon klar. Praktisch alle SR22 die heute preislich interessant sind, fliegen mit Entegra-Panel, allerdings in verschiedenen Evolutionsstufen. Einige wenige haben die attraktive R9-Avionik.
Die Suche beginnt
Ein Blick in die gängigen Websites für den Kauf slcher Websites schaffte schnell ein eindeutiges Bild. Hier habe ich vor allem nach gebrauchten “Cirren” gesucht:
– CD Aircraft, der deutsche Händler von Cirrus
– Cirrus Europe, der Europaimporteur am Flughafen von Eelde, Niederlande
– www.controller.com
– www.planecheck.com
Aus USA importieren?
Ja, falls Du das gerade dachtest – in USA sind diese Flugzeuge um einiges günstiger, und das Angebot ist auch sehr viel größer als in Europa. Aber man muss bedenken, was für zusätzliche Kosten anfallen wenn man eine CIrrus in USA kauft:
– Einfuhr-Umsatzsteuer, 19% des Kaufpreises (diese durch eine “N”-Registrierung zu vermeiden geht maximal sechs Monate gut!). Dazu später noch mehr, dieses Thema ist komplex und ein paar Fallen gibt es hier auch.
– Ferryflug, nach Auskunft eines Profis, der schon mehrere SR22 nach Europa gebracht hat muss man mit € 12.000 rechnen
– Reisekosten und Spesen (die man gerne unterschlägt, die aber hoch sein können wenn man nicht gerade ungesehen die erste Maschine kaufen will)
– Avionikumrüstung. Bei der Cirrus sicher nicht so kritisch weil die moderne Standarsausrüstung fast überall zugelassen ist. Sehr viele Maschinen haben aber keinen Mode-S-Transponder und kein 406-Mhz-ELT. In USA hat praktisch keine mehr ein DME.
– Registrierung in Deutschland oder der EU. Geschätzt kostet es € 4.500 eine N-zugelassene Cirrus in eine “D”-registrierte zu verwandeln, und dauern kann es vier Wochen oder mehr (in denen das Flugzeug gegroundet ist!)
Ich hatte immer die Taschenrechner auf dem iPhone aktiv während ich die Anzeigen studierte. Und obwohl mir klar war, dass wohl bei allen Preisen z.B. in Controller noch Verhandlungsspielraum besteht, so wurde mir auch klar, dass die Ersparnis beim USA-Kauf marginal sein würde. Wenn ich alle Posten zusammerechnete kam ich meistens auf sehr ähnliche Gesamtkosten wie bei europäischen Maschinen.
Bei der Auswahl punkten die USA natürlich– allein in Controller werden von jeden Sub-Typ (G2, G2-GTS, G3…) immer an die 20 Stück angeboten. Allerdings: Oft antworten die Verkäufer nicht, oder sie antworten irgendwann (bei der Anschaffung neuer Spielzeuge braucht man aber schnell Antwort:-)) … oder die Kommunikation ist insgesamt träge oder sie reisst ab wenn man zu viele kritische Fragen stellt. Zum Teil liegt das sicher an der Vielzahl an Zuschriften, die man sich mit einem SR22-Inserat einhandelt, aber ein einigermaßen aussagekräftiges PDF mit guten Fotos und ausführlicher Beschreibung sollte schon drin sein.
Wenn man in USA aber einen professionellen Verkäufer trifft, dann hat er alle Unterlagen online parat, die wichtigsten Dokumente und Wartungsunterlagen gescannt und viele gute Bilder. Auf solche trifft man auch. Sehr oft werden die Flugzeuge von Händlern oder Brokern im Auftrag angeboten. Manche sind “auf zack” und man bekommt jede Info sofort – andere (und auch solche die sich gern als Spezialisten bezeichnen) antworten nur spärlich, oder gar nicht.
Obwohl mir die USA sehr vertraut sind, ich alle Landesteile und auch die Mentalität sehr gut kenne, war mir das irgendwie bald zu anstrengend, und ich hatte auch nicht viel Lust, den Mittleren Westen wochenlang zu bereisen, um die Maschinen alle anzuschauen. Mal ganz abgesehen davon, was das gekostet hätte.
Ich suchte also schwerpunktmäßig in Europa. Parallel gab ich bei “Controller” eine Suchanzeige auf, und eine weitere in fliegermagazin. In “Planecheck” erstellte ich ein automatisches Suchprofil, so dass jede neue Cirrus-Anzeige an mich weitergeleitet würde.
Eine “G3” zu einem unschlagbaren Preis …
Kaum hatte ich meine Suchanzeige in “Planecheck” aufgegeben und mich bereits darauf vorbereitet, viele Zuschriften aus USA zu bekommen, erreichte mich während des Skirurlaubs eine Mail auf dem iPad. Ein Satz: “Hello I can offer you g3 22 GTS 2008 engine 600hrs for € 230.000”
Die eMail kam aus Tschechien, wo ich praktisch jede Woche einmal bin, und eine schnelle Google-Recherche des brachte schnell eine bildschöne silberne “G3” auf den Bildschirm. Die Maschine schien, wie üblich, bereits seit Monaten auf verschiedenen Internet-Plattformen angeboten zu werden. Und – ebenfalls nicht ungewöhnlich – wurde sie auf verschiedenen Plattformen zu sehr unterschiedlichen Preisen angeboten, meist aber für € 330.000.
Natürlich war ich ob der kurzen Mail mit abgekürztem Absender skeptisch, aber natürlich antwortete ich auch sofort. Es ergab sich sofort ein reger eMail-Wechsel in dem ich auch einige Bilder der Maschine bekam, und nach einiger Zeit begann ich Pläne für die Besichtigung zu machen. Natürlich war mir klar, dass der Preis verdächtig niedrig war, etwa 100.000 Euro unter den durchschnittlichen Preisen für solche Flugzeuge. Der Verkäufer aber blieb dabei: Festpreis € 230.000, kein Unfall, kein Wartungsrückstand, gute Kompression, keine Defekte, Einfuhrumsatzsteuer nach Europa bezahlt.
Mit meinem tschechischen Geschäftspartner fuhr ich zum Flugplatz Pribram, einem der GA-Stützpunkte für die tschechische Hauptstadt Prag, etwa 60 Kilometer südwestlich der Metropole. Das tat ich natürlich nicht ganz unvorbereitet: Über das Kennzeichen der Maschine hatte ich bereits einiges herausgefunden, und was ich erfuhr klang nicht gut: Der Verkäufer schien (und das ist die vorsichtige Formulierung …) “legale Probleme ” zu haben, Wartungskosten für die Maschine aus der Vergangenheit (verursacht durch den Vorbesitzer) waren seit Jahren offen, auch bei CD Aircraft in Deutschland. Dennoch wollte ich mir das Flugzeug mal ansehen, der Preis war einfach zu verlockend.
Eine Woche später stand ich mit dem tschechischen Verkäufer in einem Hanger des Verkehrslandeplatzes Pribram südwestlich von Prag vor einer wirklich bildhübschen 2008er G3 GTS. Eine detaillierte Untersuchung war gar nicht notwendig, es war klar, dass das Flugzeug in einem hervorragenden Zustand war. An der ganzen Maschine entdeckte ich einen kleinen Kratzer, selbst die Radschuhe waren makellos. Eine “Prebuy Inspection”? Der Verkäufer willigte sofort ein, die Maschine zu CD Aircraft nach Schönhagen zu überführen, nicht einmal das Geld für den Sprit wollte er haben.
Mit Jan-Peter Fischer, dem angeblichen deutschen “Cirrus-Papst” und Geschäftsführer von CD Aircraft hatte ich bereits gesprochen. Für € 800 würde seine Werft die Maschine auf Herz und Nieren prüfen und mir einen präzisen Bericht nach Standard des Herstellers liefern. Tatsächlich war die SR22 ein paar Tage später in EDAZ. Der Verkäufer hatte alle Dokumente mitgebracht, sowie die kompletten Wartungsunterlagen, und nur wenige Tage später befürwortete sich, was ich beim ersten Anblick des Flugzeugs gedacht hatte: Das Flugzeug war bis auf Kleinigkeiten völlig in Ordnung, sämtliche SBs wurden ausgeführt, für das Alter von sechs Jahren war die Maschine in einem sehr guten Zustand. Die wollte ich haben.
Noch immer war mir nicht klar, warum das Flugzeug so viel günstiger war als alle vergleichbaren. Der Verkäufer meinte lapidar, zu einem angemessenen Preis habe er sie eben nicht verkaufen können – und da er sich demnächst eine Turboprop zulegen wolle müsse es nun eben schnell gehen. Ich glaubte ihm natürlich gern, zu gern – und verdrängte die Überlegung, warum jemand so ein Flugzeug zirka 100.000 Euro unter Marktpreis verkaufen will. Nach Erhalt des positiven Prüfberichts kaufte ich die Maschine praktisch “per eMail”. Jetzt ging es nur noch darum, alle Dokumente zu prüfen und den Kauf wasserdicht zu machen, so dass er für mich ohne Risiko sein würde.
Das größte Problem stelle zunächst die berüchtigte “VAT”-Frage dar. War das Flugzeug 2008 beim Einfuhr in die EU ordungsgemäß zollrechtlich behandelt worden? Wurde die Einfuhr-Umsatzsteuer bezahlt? Die Maschine hatte bereits eine kleine Odysee hinter sich. Zunächst von einer tschechischen Firma gekauft hatte sie mehrfach den Besitzer und Halter gewechselt, wurde dann an einer Firma in der Slowakei verkauft und vor etwa einem Jahr wieder nach Tschechien zurückgerbracht. Klar, die VAT “sei bezahlt” versicherte der Verkäufer, da sei er sich “ganz sicher”. Und ohnehin verkaufe seine Firma (die auf den Seychellen ansäßig sei …) die Maschine ohne Mehrwertsteuer “an privat”. Das klang schon mal alles andere als beruhigend.
Es dauerte über eine Woche bis in diesem Punkt Klarheit herrschte und ich das richtige Formular der tschechischen Zollbehörde auf dem Tisch liegen hatte. Ich hatte Experten in ganz Europa befragt, den tschechischen Zoll per eMail angeschrieben und mich beim tschechischen Cirrus-Händler erkundigt. Dieser war beim Kauf 2008 nur der “Broker” gewesen und hatte keinerlei Unterlagen über die Einfuhr-Umsatzsteuer (VAT). Schließlich aber tauchte doch noch das richtige Formular des Zolls auf, das auch die Umsatzsteuer-ID des Erstbesitzers enthielt, und gleichzeitig gab der Zoll per eMail Entwarnung.
Was sollte jetzt noch schiefgehen?
Ein paar Tage später war es soweit. Ich informierte die tschechsiche Notarin, die auch für unser Unternehmen tätig ist, über den Kauf und bat sie, den Kauf abzuwickeln und auch die Funktion des “Escrow” zu übernehmen. Obwohl ich zwischenzeitlich den Prozess schon beinahe abgekürzt hätte, riet ich mir dann doch selbst zur Vorsicht. Ich würde dem Verkäufer, so meine Bedingung, den Kaufpreis erst (auf ein Konto in Liechtenstein …) überweisen wenn ich als Besitzer und Halter in den Papieren eingetragen sei, das Flugzeug also auf mich zugelassen sei. “Überhaupt kein Problem” meinte der Verkäufer. Konnte es sein, dass der Mann doch vollkommen seriös war und zu Unrecht einen schlechten Ruf hatte? Mehrere Insider hatten mich vor ihm gewarnt, aber warum?
Wenige Tag bevor wir uns bei der Notarin treffen wollten, machten mich die Buchhalterin meiner Firma und unsere tschechische Steuerberaterin noch auf einen anderen Punkt aufmerksam. Hatte ich geprüft, dass wirklich niemand sonst Rechte an dem Flugzeug hat? Hatte ich nicht, aber ich machte mir auch keine wirklichen Sorgen. Tatsächlich aber war die die Firma, die das Flugzeug importiert hatte in Konkurs gegangen und die Steuerberaterin warnte mich eindringlich davor, hier ein Risiko einzugehen. Solche Fälle des Insolvenzbetruges seien in Tschechien an der Tagesordnung. Und genau dies sei der Fall wenn das Flugzeug nach Eröffnung des Konkurses ohne Zustimmung des Insolvenzverwalters verkauft worden sei.
Auf der Website der tschechischen Luftfahrtbehörde aber stand neben dem Kennzeichen der Maschine in der Rubrik “Rechte Dritter?” – “nein”. Andererseits antwortete der Insolvenzverwalter der Firma auf keine eMail, Anrufe unserer Buchhaltung wiegelte er ab. Das könne er so schnell nicht prüfen, das würde dauern. Wie lange – wollte er nicht sagen. Ich konsultierte Radim, einen jungen Rechtsanwalt, Mitglied des örtlichen Aeroclubs und Wettbewerbssegelflieger. Er würde die Sache für mich prüfen. Eine Nachfrage beim Insolvenzgericht und das Studium der Insolvenzakten brachte nichts zutage, das Flugzeug schien sich nicht in der Insolvenzmasse des Unternehmens zu befinden. Radim war sich bald sicher: kein Problem!
Eine Woche später war ich bei der Notarin und unterzeichnete den Kaufvertrag. Der Verkäufer hatte seinen Rechtsanwalt geschickt, da das Flugzeug gar nicht von ihm privat verkauft wurde sondern von seiner (Briefkasten-)Firma auf den Seychellen. Mir war das egal, denn der Anwalt hatte eine Vollmacht des “Unternehmens”, die von der Notarin auch problemlos akzeptiert wurde. Vereinbar wurde, dass ich sofort nach dem Notartermin zur Luftfahrtbehörde nach Prag fahren wollte und das Flugzeug auf meinen Namen ummelden. Wenn ich der eingetragene Eigentümer und Halter der Maschine sei – erst dann würde die Notarin das Geld auf das Liechtensteiner Konto weiterleiten.
Der Verkäufer wollte mich sogar zur “CAA” am Prager Flughafen “Ruzyne” begleiten und mir bei eventuellen Sprschschwierigkeiten zur Seite stehen, was mein Vertrauen in die Sache nur noch bekräftigte. Drei Stunden später trafen wir uns in Prag vor dem Gebäude der Luftfahrtbehörde und suchten die Zulassungsstelle auf.
Das dicke Ende des Schnäppchenkaufs
Dieses Flugzeug, so erklärte mir die zuständige Beamtin sofort nach der Begrüßung, könne nicht auf einen anderen Eigentümer umgeschrieben werden. Was? Die Dame zog ein zweiseitiges Dokument unter dem Tresen hervor und legte es vor mich. Ich konnte nur “Polizei” identifizieren, sah den Namen des Verkäufers auf dem Dokument, ein sieben Tage altes Datum, das Wort “Seychellen”. Was ist das? “Es ist eine Verfügung der Staatsanwaltschaft Prag, die besagt, dass das Flugzeug von Herrn (…) beschlagnahmt ist und nicht verkauft werden darf”.
Der Verkäufer wurde etwas blass um die Nase, begann zu diskutieren. Ich verstand kein Wort. Eines aber verstand ich sofort: Keine Chance! Anordung von Staatsanwaltschaft, Polizei, laufendes Strafverfahren … nach drei Minuten war mir klar, dass ich gar nicht versuchen müsste, hier etwas auszurichten. Ich würde nichts erreichen. Der Verkäufer sah mich hilflos und verlegen an und fragte… “Was machen wir jetzt, Alexis?”. Unglaublich. Ich antwortete ziemlich angefressen, und nicht druckreif, jedenfalls nicht wenn diese Website auch weiterhin für Jugendliche zugänglich bleiben soll. Dann fragte ich die Beamtin, warum sie mir das nicht schon vor Tagen per eMail mitgeteilt hatte. Schließich sei das Dokument eine Woche alt und wir hatten beinahe zehn Mails wegen der für die Zulassung notwendigen Dokumente ausgetauscht. Ich hätte mir den Notartermin sparen könne und jede Menge Stress und Unkosten dazu
Die Antwort: “Das wollten wir Ihnen lieber persönlich sagen”. Aha. Warum die Website der Behörde das Flugzeug auch an diesem Tag noch als “Frei von Rechten Dritter” auswies? Achselzucken.
Auf dem Parkplatz vor der Behörde wollte der Verkäufer die Tasche mit den Dokumenten von mir haben, das sei ja schließlich immer noch “sein Flugzeug”. Natürlich gab ich sie ihm nicht, legte sie in den Kofferraum, fuhr weg. In der Firma angekommen berichtete ich meiner Sekretärin von der Pleite. “Wie hieß denn der Verkäufer”, fragt sie mich. Als ich ihr den Namen sagte, wurde nun auch sie blass … “aber Herr von Croy, haben Sie gestern abend nicht die Nachrichten gesehen!”… “Nein habe ich nicht, ich verstehe ja kein Tschechisch”. Es stellte sich heraus, dass mein Verkäufer, der nette “Tony”, am Abend zuvor ein Thema im den Abendnachrichten gewesen war. Angeblich hat er den tschechischen Staat um etwa 50 Millionen Euro Umsatzsteuer betrogen. Per Google fand ich mehrere Artikel tschechischer Zeitungen. “Über eine Milliarde (Kronen) hinterzogen aber baut sich eine Villa”, “Ferrari beschlagnahmt ….”, “bis zu zehn Jahre Haft”, so viel verstand ich mit Hilfe der online-Übersetzung.
Vertrauen wäre fatal gewesen
Eines war klar: Hätte ich dem Verkäufer 230.000 Euro auf sein Konto in Liechtenstein überwiesen – das Geld wäre unter Garantie weg gewesen. Hundertprozentig und ohne Chance es wieder zu bekommen. Plötzlich war auch der sensationelle Preis plausibel: Bevor die Staatsanwaltschaft zuschlägt schnell noch verkaufen und das Geld außer Landes bringen, das war wohl die Idee.
Kurz darauf faxte ich den Rücktritt vom Kaufvertrag an die Notarin. Dem Verkäufer schickte ich eine Rechnung über meine gesamten Kosten für diese sinnlose Aktion, die er sogar bald bezahlte. Seine Flugzeugpapiere in unserem Firmensafe waren offenbar ein gutes Argument. Meine Drohung sie zu verbrennen half noch zusätzlich. Eine Woche später war auch der Kaufpreis wieder auf meinem Konto. Zuhause in Deutschland angekommen war ich ganz nah’ dran, das “Projekt Cirrus” zu den Akten zu legen. Meine Frau lächelte nur milde. “Ja, ja”. Offenbar glaubt sie mir nicht, dass es mir jetzt reicht! Warum nahm sie mich nicht ernst? Zwei Tage später war ich wieder in Planecheck, Controller … studierte Anzeigen.
Nächster Anlauf, zurück zur G2
Immer noch ziemlich sauer nahm ich in den Tagen nach der Pleite doch langsam wieder die Fährte auf. Eine “G3”, so stellte ich schnell fest, in dieser Preisklasse konnte ich mir abschminken. Die wenigen G3, die erschwinglich schienen, hatten viele Stunden oder waren “wieder aufbereitete” amerikanische Maschinen mit hoher Stundenzahl. Eine etwas preisgünstigere G3 von 2008 hatte einen reparierten Hagelschaden. Offenbar war der Schaden nicht groß gewesen und auch professionell repariert – letztlich aber konnte ich mich nicht durchringen. Die Maschine schien schon sehr lange auf dem Markt zu sein, und genau so würde es mir auch gehen sollte ich sie Maschine eines Tages verkaufen wollen … oder müssen. Dann lieber doch eine schöne gepflegte G2.
An einige Maschinen konnte ich mich noch erinnern, alles G2 GTS des Baujahres 2006. Eine davon stand in Spanien, zwei in Belgien, und eine in Biggin Hill bei London. Jede schien ihre Vorteile zu haben, aber an jeder war auch etwas, das mir nicht gefiel – und wenn es nur die falsche Innenausstattung war! Ich wollte aber keine Maschine mit weißem oder cremefarbenem Leder, und auch ein weißes Panel auf dem die schwarzen Bildschirme wie gerahmte Bilder “hängen”, wollte ich nicht. Dummerweise wurden von der G2 GTS viele Exemplare genau so ausgeliefert. Ich hatte mich aber schon lange entschieden: außen weiß oder silbern, innen aber auf jeden Fall schwarzes Leder und schwarzes Panel. Meiner Meinung nach ist das mit Abstand die schönste Variante. Zwei Maschinen fielen aus diesem Grund gleich weg.
In meiner Preisklasse waren schließlich zwei Exemplare übrig: die belgische mit 1200 Stunden und neuen Zylindern und die britische mit nur 850 Stunden und “generalüberholten” Zylindern. Was bei der Suche nach einer SR22 sofort auffällt ist, dass eine Vielzahl von Flugzeugen mit weniger als 1000 Stunden Gesamtflugzeit bereits überholte oder teilüberholte Motoren haben. Dabei geht es fast immer um ein Merkmal: die Kompression der Zylinder. Sonst scheint der bärenstarke IO-550N kaum Schwachstellen zu haben, aber die Differenzdruckprüfung und der Zustand der Zylinder scheinen oft ein Problem zu sein.
Der gefürchtete Kompressionstest
Kaum ein nicht erfülltes Kriterium verhindert wahrscheinlich Flugzeugverkäufe – und deshalb eben auch Käufe – so regelmäßig wie eine nicht bestandene oder schlecht ausgefallene Differenzdruckprüfung des Motors. Natürlich gibt es auch jede Menge anderer Defekte am Triebwerk als schlecht abdichtende Kolbenringe oder defekte Ventile. Anlasser oder Magnete können defekt sein, Schalldämpfer und Wärmetauscher sowieso. Bei Flugzeugbesichtigungen aber geht es meist sehr schnell nur um ein Thema: “Wie gut ist die Kompression”?
Die Flugzeugmechanikern seit jeher eingebleute “80/60”-Regel – dass also ein Zylinder gegenüber dem Referenzdruck (80 psi) maximal einen Abfall von 25 Prozent haben darf (also auf 60 psi), soll er noch lufttüchtig sein, gilt bei den etwas launischen großvolumigen Conti-Motoren so nicht. Wie einem jeder Spezialist dieser Materie bestätigen wird, ist “80/60” kein ausreichendes Kriterium für die Beurteilung des mechanischen Zustandes des bärenstarken IO-550N. Redet man mit diesen Experten kommen schnell Aussagen wie “verändert sich sowieso bei jedem Flug” oder die Frage “Was sagt die Ölanalyse?” und vor allem: “Wurde das Triebwerk mit dem Boroskop geprüft?”
Der amerikanische Motorenpapst Mike Busch, der regelmäßig auch Kolumnen für das Cirrus-Pilotenmagazin verfasst (“COPA Magazine”) ist der Ansicht, dass der reine Kompressionstest kaum geeignet ist, den Zustand des Motors zweifelsfrei zu ermitteln. Und auch der Hersteller des Triebwerks relativiert das “80/60”-Gesetz in mehreren Wartungsdokumenten zum IO-550N. Laut Busch und der Herstellerfirma TCM ist ein Wert von 50 psi oder sogar noch etwas niedriger noch lange kein Ausschlußkriterium – wenn sonst nichts gegen den Motor spricht!
Um den Kompressionstest richtig auszuführen hat TCM einen speziellen Kalibrierungsstandard (“master orifice test”) entwickelt, mit dessen Hilfe am Tage des Tests der minimale zulässige Wert unter Berücksichtigung des verwendeten Messergeräts und der atmosphärischen Bedingungen ermittelt wird. Ermittelt der “Orifice Test”, dass das Minimum “48 PSI” ist – so kann ein Triebwerk, dass auf einem Zylinder nur “50 psi” erreicht durchaus in Ordnung sein. Aber eben nur wenn eine zusätzlich durchgeführte boroskopische Untersuchung keine relevanten Schäden an Ventilen oder Korrosion in den Zylindern festgestellt hat. Das Gesamtbild ist wichtig, nicht der Drucktest allein.
Das Original-Servicebulletin von TCM zum Thema Differenzdruckmessung beim IO-550N habe ich Euch hier bereitgestellt: SB03-3-1
Fazit: Natürlich ist ein Triebwerk das auf allen sechs “Töpfen” 80/72 oder 80/74 schafft erst einmal unverdächtiger. Aber auch ein Motor, der auf einem Zylinder nur 80/50 erreicht kann mechanisch noch in Ordnung sein. Und um an dieser Stelle gleich ein anderes Missverständnis auszuräumen: Selbst wenn das Triebwerk auf mehreren Zylindern nicht mehr die optimale Kompression erreicht, so erreicht es im Praxisbetrieb (bei Drücken von 800-1000 PSI im Brennraum) in der Regel volle Startleistung. TCM hat das mit Prüftstandtests belegt. Es gibt also keinen direkten Zusammenhang zwischen niedrigen Werten bei der Differenzdruckmessung und der Leistung, die das Triebwerk in der Praxis erreicht.
Die Differenzdruckmessung in der Wartung ist nur eine Methode, Klarheit über den mechanischen Zustand des Motors zu bekommen. Sie ist nur im Zusammenhang mit anderen Faktoren aussagekräftig. Lassen Sie sich also keinesfalls einen Satz neuer Zylinder verkaufen wenn der Kompressionstest niedrige Werte ergibt. Für den IO-550N empfiehlt TCM selbst bei einem Ergebnis von 80/35 auf einem oder mehren Zylindern ausdrücklich, diese Zylindern NICHT sofort zu wechseln sondern sie zunächst boroskopisch zu untersuchen und weitere Flüge bis zu einer erneuten Untersuchung durchzuführen. Erst wenn sich auch bei erneuter Untersuchung keine Besserung ergibt, sollte der Zylinder “gezogen” werden.
Eine wichtige Funktion hat auch die Ölanalyse im Labor, die heute für wenig Geld innerhalb von zwei, drei Tagen ausgeführt wird. Das Thema ist komplex, aber es lässt sich im Internet jede Menge Material dazu finden. Die Ölanalyse ermittelt in welcher Konzentration sich Spuren verschiedener im Triebwerk verwendeter Metalle im Öl vorhanden sind. Daraus ergeben sich gute Rückschlüsse auf Komponenten mit hohem Verschleiß. Dazu später noch mehr.
Die Checkliste für das Triebwerk:
– Ergebnis der Differenzdruckprüfung? (nur “Master Orifice Test” akzeptabel)
– Ölverbrauch? (1 Liter auf 4 Stunden ist noch okay, 1 Liter auf 10 Stunden ist perfekt)
– Boroskoptest (keine Korrosion? Ventile nicht verbrannt oder verformt?)
– Check auf sichtbare Metallspäne im Ölfilter
– Ölanalyse okay? (welche Metalle sind in erhöhter Konzentration vorhanden? Woher kommt dieses Metall?)
Hat die Wunsch-SR22 also einen etwas niedrigen Kompressionswert auf einem oder mehreren Zylindern aber alle anderen Faktoren sind unbedenklich, so kann man erst einmal beruhigt sein.
Der Rest ist ohnehin “Kaffeesatzleserei”. Ein “80/75-Triebwerk” kann ihnen ganz plötzlich ebenso um die Ohren fliegen wie ein schon etwas ausgeleiertes mit fast 2000 Stunden. Die leicht beunruhigende aber wohl einzig ehrliche Message: Checken Sie, was möglich ist, aber glauben Sie nicht, dass Sie endgültige Gewissheit über die Lebensdauer des Motors erlangen werden. Ohne einen Schuß Fatalismus werden Sie sowieso nie ein Flugzeug kaufen.
“T7-BIG”
Nach einigem Überlegen legte ich mich auf den nächsten Kandidaten fest. Die “T7-BIG” war eine im italienischen Zwergstaat San Marino zugelassene SR22 G2-GTS von 2006, die in Biggin Hill bei London stationiert war, und die Anzeige klang ganz gut:
– nur 840 Stunden Flugzeit
– Top Overhaul vor 130 Stunden (also wahrscheinlich neue Zylinder)
– Propeller vor 30 Stunden überholt (empfohlen nach 6 Jahren oder 24000 Stunden)
– Auspuffschalldämpfer und Wärmetauscher bereits getauscht (empfohlen nach 1000 Stunden)
– die Line Cutter des CAPS bereits ausgewechselt (vorgeschrieben nach 6 Jahren)
– werksseitig eingebaute Klimaanlage und semiportables Sauerstoff-System
Angeblich befand sich die Maschine in einem Top-Zustand. Nach London kommt man von München aus leicht und für wenig Geld. Also buchte ich einen Easyjet-Flug nach Gatwick und ein Zimmer in einem günstigen Hotel am Flughafen. In Gatwick wurde ich von einem Fahrer erwartet, der mich nach Biggin Hill brachte, etwa vierzig Minuten Fahrtzeit. Der junge italienische Banker, dem die Maschine gehörte erwartete mich bereits und wir sogleich sahen wir uns das Flugzeug an. Ein kurzer Außencheck bestätigte den guten Zustand, aber natürlich fielen mir gleich ein paar Sachen auf, die natürlich nicht in der Anzeige standen:
– beide Radschuhe des Hauptfahrwerks waren lose, die Befestigungsschrauben im GfK ausgerrissen
– die Bildschirme der beiden GNS430 Navcoms hatte offenbar jemand mit Scheuerpulver gereinigt, die Antireflexbeschichtung war total hinüber
– ein paar kleine Lackschäden an Tragflächen und am Höhenleitwerk
– der “SR22 GTS”-Aufkleber auf der rechten Seite des Seitenleitwerks war beschädigt (Ersatz kostet 500 Dollar!)
– die Armauflage auf der Pilotenseite war (offenbar durch eine dicke Fliegeruhr) zienlich abgwetzt.
Sonst fand ich keine Mängel, noch standen alle Zeichen für mich auf grün. Wir beschlossen, die Maschine zu RGV nach Gloucester zu überführen, dort würde ich eine Prebuy-Inspection durchführen lassen. Es war sicherlich nicht ideal, dass RGV auch der Wartungsbetrieb der Maschine war, aber aus Mangel an praktikablen Alternativen willigte ich ein, die “Prebuy” dort durchführen zu lassen. IFR flogen wir durch richtig mieses Wetter die 40 Minuten bis EGBJ, als wir im Anflug auf die “27” aus den Wolken kamen fühlte ich mich schlagartig wohler.
Aber der junge Italiener hatte den Flug blitzsauber durchgeführt und ich war sicher, dass er ziemlich viel IFR-Erfahrung hatte. Nach der Landung fragte ich ihn beiläufig und erfuhr: er hatte nur 200 Gesamtflugstunden , davon aber 140 in IMC. Das schlechte englische Wetter kann auch Vorteile haben, IFR zu fliegen lernt man hier offenbar schneller.
Wir nahmen den Zug zurück nach London und besprachen die Formalien. Ich bezahlte 200 Euro anteilig für die Überführungskosten und die Zugtickets. Dann verbrachte ich noch einen schönen Tag in London und flog nach München zurück, gespannt darauf, was die Untersuchung des Flugzeugs ergeben würde.
Das Ergebnis der Prebuy Inspection
Einige Tage nachdem wir das Flugzeug nach Gloucester überführt hatten, schickte mir Stuart Vincent, Chef von RGV, das Ergebnis der “Prebuy Inspection”. Im Wesentlichen hatte er folgende Mängel gefunden.
– Abdichtungen der Cowling lose
– Static System undicht
– Heatshield (die Schutzbleche unter den Auspuffrohren) lose
– eine lose Verkleidung in der Kabine
– die Armauflage auf der Pilotenseite beschädigt (dicke Pilotenuhr?)
– Bremsklötze rechts defekt, rechte Bremse fast ohne Funktion
– Linker und rechter Radschuh lose, beide Halterungen ausgerissen
– “GTS”-Aufkleber auf der rechten Seite des Leitwerks beschädigt
– linker Wingwalk verschlissen
– Landescheinwerfer, Birne und Abdeckung defekt
– Spaltabdeckung des linken Querruders vergilbt und rissig
Am meisten interessierte mich natürlich das Triebwerk. Der Kompressionstest war besser ausgefallen als bei einigen anderen Maschinen dieses Baujahres, was natürlich daran lag, dass der Vorbesitzer 120 Flugstunden vorher alle sechs Zylinder überholen lassen hatte. Er sei – so seine (Verkäufer-)Argumentation – nach dem Kauf des Flugzeugs Anfang 2012 angesichts leicht sinkender Werte etwas nervös gewesen und da er die Maschine vor allem für Flüge von England nach Italien angeschafft habe, habe er auf “Nummer sicher” gehen wollen.
Die Überholung der Zylinder, ausgewiesen durch eine detaillierte Rechnung (und eine am Motor angebrachte Plakette) hatte die italienische Firma David in der Nähe von Brescia durchgeführt, ich ging also davon aus, dass die Arbeit fachgerecht ausgeführt worden war. Die Kompressionswerte lagen alle zwischen 66 und 74 PSI, und da die Kalibrierung des Messeräts einen zulässigen Minimalwert von 44 ausgewiesen hatte, machte ich mir keine Sorgen. Zudem war die Ölanalyse – fast – perfekt ausgefallen. Bis auf einen Wert waren alle Spuren von im Motor verbauten Metallen weit unterhalb der Grenzwerte.
Lediglich Aluminium war etwas stärker als gewünscht im Öl vertreten, was auch zu einigen Aluminiumbröseln im untersuchten Ölfilter passte. Stuart Vincent war sich sicher, dass das Aluminium von dem einige Monate vorher verendeten Anlasser kam, der im Herbst 2012 gegen einen neuen verbesserten Starter (Sky-Tec ST5) gewechselt worden war. Das aus Alu bestehende Getriebe des Starters hatte seiner Meinung nach beim Versagen Aluminium ins Motoröl abgegeben. Ein paar technische Artikel später (Zum Beispiel im hervorragenden Magazin der Cirrus-Piloten, COPA Magazine) war ich auch dieser Meinung, das Symptom war genau so auch bei anderen Maschinen des Typs aufgetreten. Außerdem war der Alumiumwert nur leicht erhöht und immer noch unterhalb des Grenzwerts.
Zulassung in England
Mit dem Verkäufer einigte ich mich darauf, dass wir uns die Kosten für die notwendigen Reparaturen und die Zulassung teilen würden. Die Kosten dafür konnten wir beide zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht ganz absehen, also holten wir einen Kostenvoranschlag bezüglich aller notwendigen Reparaturen ein. Er betrug zirka 4000 Euro. Noch nicht bekannt war, was die Zulassung des Flugzeugs kosten würde. Schließlich handelte es sich um einen Export aus San Marino. Die Prozedur war vergleichbar mit der europäischen Zulassung einer vorher N-registrierten Maschine und die Maschine würde mindestens noch 4 weitere Wochen bei RGV in Gloucester stehen.
Ich hatte mich bereits dafür entschieden, das Flugzeug in England zuzulassen. Dagegen sprach nichts, und alles was die CAA (britische Luftfahrtbehörde) verlangte war ein Wohnsitz in der EU. Immerhin fällt bei einer Zulassung im europäischen Ausland schon einmal die Versicherungssteuer weg und die Bürokratie hielt sich auch einigermaßen in Grenzen, vor allem weil RGV auf diesem Gebiet Erfahrung hat und bereits über 25 SR20/22 in die EU importiert hat.
Diese Liste der notwendigen Schritte schickte mir Stuart Vincent per eMail:
1. Gain Export C of A from San Marino Registry.
(Export-Lufttüchtigkeitszeugnis von San Marino)
2. De-register the aircraft from San Marino Register.
(Abmeldung in San Marino)
3. Fill out UK CAA Registration and C of A application forms.
(Antrag auf Zulassung und Lufttüchtigkeitszeugnis)
4. Apply for CAA Radio Licence.
(Antrag auf Luftfunkstelle)
5. Carry out Annual to UK requirements.
(Neue Jahresnachprüfung für die Zulassung)
6. Rectify any defect noted during Annual inspection and those highlight by buyer.
(Behebung von Mängeln)
7. Remove the T7 registration from the aircraft and apply G registration.
(Anbringung der Kennzeichen)
8. Apply for EASA Permit to fly
(Permit to Fly für Testflüge)
9. Air test aircraft
(Flugtest)
10. UK CAA surveyor come to inspect aircraft and issue UK Certificate of Airworthiness and ARC.
(Abnahme des Flugzeugs durch einen Inspektor der CAA und Ausstellung von Lufttüchtigkeitszeugnisses und des Nachprüfscheins, der heute Airworthiness Renewal Certifivcate heißt, “ARC”)
Avionik-Upgrade
Während die Zulassung am Laufen war hatte ich Zeit, mich mit dem Avionik-Upgrade zu beschäftigen. Ich hatte im Laufe meiner Recherchen so viel Positives über den neuen Autopiloten Avidyne DFC90 gelesen, dass ich daran jetzt nicht mehr vorbeikam: Haben will!
Im Gegensatz zum analogen S-TEC55, Serienausstattung der SR22, ist der DFC90 ein digitaler Autopilot, der eine Avidyne-ausgerüstetete SR22 in Bezug auf die automatische Steuerung nahezu auf das Niveau des DFC700 bringt, (Autopilot der “Perspective”-Avionik neuerer SR22-Varianten).
Anders als beim S-TEC-Autopiloten , der das Flugzeug auf Basis der Daten des Turn Coordinator steuert (“rate based” nennt man das) bedient sich der DFC90 zur Ermittlung der Fluglage des AHRS-Systems des Primary Flight Display, er ist also “attitude based”. Für alle denen das noch fremd ist: Das “AHRS” (Attitude and Heading Reference System) ist die elektronische Entsprechung des Kreisels in der mechanischen Variante des Künstlichen Horizonts. Mehrere Chips in “MEMS”-Technologie stellen die Lage im Raum fest, und das ohne jedes bewegliche Teil.
Was man aber wissen muss: Der in der SR20/22 versteckt eingebaute Turn Coordinator spielt weiterhin eine Rolle. Aus Zulassungsgründen wird weiterhin die Information des Turn Coordinators sozusagen als “zweite Instanz” als Referenz für die Fluglage hinzugezogen. Das PFD versorgt den Autopiloten zwar mit den Fluglagedaten, wenn der Turn Coordinator aber davon abweichende Referenzdaten liefert, “meckert” das System und eine “AHRS Miscompare”-Meldung erscheint auf dem PFD. Der DFC90 schaltet sich deshalb im Flug nicht ab sondern funktioniert ohne Einschränkung weiter.
Anders wenn der Fehler am Boden auftritt: Erscheint jetzt “AHRS Miscompare” so lässt sich der Autopilot aus Sicherheitsgründen nicht aktivieren und man kann vorübergehend nur noch von Hand fliegen. Meist ist dann eine Überholung des verschlissenen Turn Coordinators fällig. (Zu diesem Thema später mehr).
Das allein führt dazu, dass er das Flugzeug sehr viel genauer steuert als das mit den Daten des Turn Coordinators möglich ist, aber darüber hinaus sind es die vielen intelligenten Features, die den DFC90 so interessant machen.
– Envelope Protection: Der Autopilot kann das Flugzeug nicht überziehen
– Straight & Level-Button: Ein Druck auf die Taste und die Maschine recovert aus jeder Fluglage
– Integrierter und sehr viel präziserer Flight Director
– Passive Envelope Protection: Fliegt man von Hand warnt der Autotopilot (per Stimme) vor drohendem Strömungsabriss oder zu großem Bank Angle
– IAS-Mode: Man kann nicht nur eine Steigrate vorwählen, sondern auch eine Indicated Airspeed – und zwar für Sink- oder Steigflug
– Der Heading Bug lässt sich auch (etwa für einen Procedure Turn) über die 180-Grad-Marke hinaus drehen, das Flugzeug dreht immer in die Richtung in die der Heading Bug bewegt wurde
– Bei installierter “Flap Wire”-Option A/P-Betrieb auch bei niedriger Geschwindigkeit und ausgefahrenen Klappen sicher möglich
Laut Aussage praktisch aller Piloten, die sich für den DFC90 entschieden haben fliegt der digitale “George” auch mit einer vom S-TEC55 her nicht bekannten Präzision.
Panel Makeover-Paket von Avidyne inklusive DFC90
Derzeit bietet Avidyne ein interessantes Paket für den DFC90 an: Das sogenannte “Panel Makeover” beinhaltet nicht nur den DFC90-Autopiloten sondern auch einen Austausch (bzw. die Überholung!) von PFD und MFD. Die Geräte werden dabei nicht nur softwaremäßig auf den neuesten Stand gebracht und überholt, enthalten ist auch das “MOD55″ gennannte Softwareupdate, das für den Betrieb des DFC90 nötig ist. Das PFD muss ja nun den Speed Bug” für den IAS-Modus des Autopiloten anzeigen.
Weiteres interessantes Feature: Die empfindlichen Acrylglasbildschirme werden gegen sehr viel unempfindlichere Glaspanels getauscht, die lecihter zu pflegen sind und angeblich länger halten als die sehr empfindlichen Acrylscreens. Dazu gibt es noch überarbeitete Rahmen.
12.990 Dollar zzgl. Mehrwertsteuer kostet das “Panel Makeover” für das Avidyne Entegra-System, das für eine schon ein paar Jahre alte SR20 oder 22 ein interessantes Upgrade ist, das auch Non-Perspective-Cirren nicht den Anschluß an die neuen Modelle verlieren lässt. Natürlich kommt Entegra damit nicht auf den technischen Level des “Perspective”, aber zumindest was den Autopiloten betrifft ist mit dem DFC90 eine ähnlich fortschrittliche Funktionalität erreicht.
Alec Vincent, im Familienbetrieb RGV für die Avionik zuständig, bestellte das System für mich bei Avidyne und da ich darauf verzichtete, Original-PFD und -MFD zu überholen und stattdessen Austauschgeräte akzeptierte, dauerte die Lieferung aus USA nur knapp eine Woche. Leider war das erste gelieferte PFD defekt so dass Alec ein weiteres PFD ordern musste, aber kurz darauf kam die Erfolgsmeldung: PFD, MFD und DFC eingebaut, das “Flap Wire” installiert.
Ein Flugzeug, sieben Datenbanken
Will man Cirrus fliegen, so kommt man erstmals in der Privatpilotenkarriere nicht um das Thema Datenbanken herum. In einer typischen SR22 GTS gibt es gleich eine Vielzahl von Datenbanksystemen, die man teuer upgraden muss will man die Airliner-mäßige Avionik auch sinnvoll nutzen:
1. 2 x Datenbank für die beiden GNS430 Navcoms. Diese müssen alle 28 neu über das Internet heruntergeladen und auf die beiden Datenkarten übertragen werden. Dazu benötigt man neben einem Jeppesen-Abo für die Daten noch einen USB-Adapter für den PC oder Mac (“Skybound G2”) und auf dem PC oder Mac das entsprechende Programm für Download, Verwaltung und Übertragung der Daten. Für den Windows-PC heißt das Programm “JSUM”, für den Mac kam vor kurzem das Pendant “JDM” heraus.
2. Die Basiskarte für das MFD des Entegra-Systems kann man ebenfalls bei Jeppesen abonnieren. Diese wird über JSUM/JDM auf einen USB-Stick übertragen, dem man dann (vor dem Einschalten) in den USB-Slot des Entegra steckt
3. IFR- und VFR-Anflugkarten. Hat das MFD das (sehr empfehlenswerte) “CMax”-System installiert, so kann man sämtliche gewünschten georeferenzierten IFR-Anflugkarten und Taxicharts in das MFD laden. Dazu benötigt man ein Jeppview-Abo, das zB für Deutschland etwa 430 Euro pro Jahr kostet, für ganz Europa sind etwa 1500 Euro jährlich fällig. Seit kurzem sind auch die ehemaligen Bottlang-VFR-Anflugblätter und Flugplatzkarten für das Entegra erhältlich, die man zusätzlich zu den IFR-Karten installieren kann. Die Approach Charts werden ebenfalls auf einen (zweiten!) USB-Stick geladen und dann ins Flugzeug übertragen.
4. ETAWS-Daten für die beiden GNS430. Auch sie werden über den Skybound G2 auf Datenkarten übertragen. Ob man das ständig macht bleibt dem Piloten überlassen, ich erneuere die ETWAS-Daten maximal ein Mal im Jahr, was für meinen “IFR-Light”-Betrieb auch locker genügt.
5. Schließlich kann auch die Datenbank des EGPWS-Systems KGP560 (Terrain Warning) erneuert werden. Dazu aber muss die Datenkarte aus dem (über dem Fußraum im Cockpit hinter einer Blende installierten) Gerät genommen und eingeschickt werden. Auch diese ersetzen nur Hardcore-IFR-Piloten regelmäßig. Neue Hindernisse wie Türme sind für Piloten, die an unbekannten Orten bis zu den Minima in IMC fliegen natürlich wichtig, für den durchschnittlichen Nutzer genügt wahrscheinlich ein jährliches Update.
Ich selbst entschied mich dafür, Abos für die beiden GNS sowie europaweite VFR-Anflugblätter zu installieren. Dazu bestellte ich IFR-Anflugkarten von Deutschland. Im ersten Jahr würde ich IFR kaum über Trainingsflüge innerhalb Deutschlands hinauskommen. Und für den Fall der Fälle kann man sich auch ein “Tripkit” besorgen.
Das Flugzeug ist fertig – Abholung in Gloucester
Nach fünf Wochen in der RGV-Werft war es soweit. Aus der T7-BIG war die “G-YORC” geworden. Wie es zu dem Kennzeichen kam? Ganz einfach – G-CROY war nicht mehr frei gewesen, also hatte ich meinen Nachnamen einfach umgedreht. Ein Check auf der CAA-Website … frei! Klingt irgendwie schön englisch, finde ich … Ich hatte es mir auch nicht nehmen lassen, den Schrifttyp für das Kennzeichen auszusuchen, Stuart Vincent ließ die Aufkleber für mich genau so herstellen wie ich mir das wünschte.
Am 20. Juni traf ich mich am Flughafen Birmingham mit Philipp Tiemann. Philipp gehört wahrscheinlich zu den erfahrensten SR22-Piloten in Deutschland. In seiner 2005er SR22 hat er, meist gemeinsam mit seinem Vater, alle (wirklich alle!) europäischen Länder bereist. Philipp betreibt auch die fantastischen Websites “Fliegen in Italien” und “Fliegen in UK”, beides echte Schätze für Piloten die in diese Länder reisen wollen.
Ich bat Philipp, die G-YORC gemeinsam mit mir in Gloucester abzuholen und mich auf dem Rückflug so weit wie möglich in die Maschine einzuweisen. Am Nachmittag kamen wir bei RGV an. Der CAA-Inspektor war eine Stunde vorher zu Besuch gewesen und hatte die Maschine ohne Einwände abgenommen.
Frisch poliert, mit neuem Öl und vollgetankt stand die Maschine in einer beeindruckenden Wartungshalle voller SR22 und SR20. Mit den frisch lackierten Radschuhen und der spiegelnden Oberfläche hatte die Maschine optisch stark zugelegt, für das ungeübte Auge wirkte sie jetzt fast wie neu. Leider habe ich ein geübtes Auge – und auf der polierten Oberfläche sieht man natürlich auch den kleinsten Mangel. Hier ein kleiner Kratzer, dort auf der Fläche eine ganz kleine Delle. Alles nicht der Rede wert, aber auf der staubigen Maschine hatte ich sechs Wochen zuvor diese kleinen Schönheitsfehler nicht gesehen. Ein Detail das ich als SR22-Neuling nie gesehen hätte, fiel Philipp gleich auf. Der obere Rand des Spinners schließt nicht perfekt mit der Cowling ab, was bedeutet, dass sich die Motorlager etwas “gesetzt” haben. Stuart meinte, dies ließe sich leicht bei der nächsten Wartung mit ein paar Unterlegscheiben unter den Befestigungen des Motorträgers an der Firewall beheben, dann würden Spinner und Cowling wieder fluchten.
Erste Schritte …
Am selben Nachmittag machte Philipp mit mir den ersten Checkout. Ich wollte wenigstens ein paar Platzrunden fliegen bevor wir uns auf den Weg nach Hause machten. Noch war mein letzter SR22-Flug ja über zehn Jahre her, damals hatte ich bei Cirrus Europa eine der ersten SR22 in Europa für fliegermagazin ausprobieren dürfen. Ehrlich gesagt musste ich mir meinen Artikel von damals noch einmal durchlesen um die Erinnerung wenigstens etwas aufzufrischen. Mir dem Avidyne-Glascockpit war ich überhaupt noch nie geflogen.
Das größte Problem, das jeder Umsteiger von Cessna oder Piper bei den ertsen Flügen haben dürfte betrifft nicht das Fliegen an sich, sondern das Rollen. Wer von einer (Grumman) Tiger kommt, ist eindeutig im Vorteil, denn es dauert etwas bis man es mit dem frei aufgehängten Bugrad schafft, die Richtung auf dem Taxiway zu halten. Nun war ich auch die Tiger bereits geflogen (übrigens für die Klappmeier-Brüder ein großes Vorbild auf dem Weg zur SR20), und eben auch die Cirrus-Prototypen ein paar Mal – dennoch rollte ich zunächst im typischen Anfänger-Zickzack über den Platz. Tendenziell will die Maschine immer eher nach links. Also tritt man zunächst zu fest in die rechte Bremse – und muss deshalb gleich wieder rechts bremsen. Richtig geht es so ähnlich wie in einem Taildragger: den Richtungswechsel im Ansatz erkennen, gefühlvoll kurz aber nicht zu fest bremsen. Auf keinen Fall darf man mit zu hoher Leistung in den Bremsen stehend rollen. Die nicht gerade üppig dimensionierten Scheibenbremsen neigen zu rapider Überhitzung und dann auch zu enormem Verschleiß. Es gab sogar Fälle bei denen SR20/22 nach extremer Misshandlung der Bremsen in Brand gerieten …
Bereits mit ein wenig Erfahrung ausgestattet gelang mir diese Umstellung recht schnell. Die zweite große Herausforderung ist das Glascockpit. Zu viel Respekt ist hier aber fehl am Platz, vor allem wenn es sich beim Umstieg auf Bildschirme um das Avidyne Entegra handelt. Wer ein Garmin GNS430 bedienen kann, lernt die wichtigsten Funktionen des “Kinos” in wenigen Minuten, so logisch und simpel ist das Entegra aufgebaut. Der wichtigste Aspekt der einfachen Bedienung ist, dass sie eindeutig ist. Sowohl das PFD als auch das MFD haben links und rechts neben dem Bildschirm Tasten, die sogenannten “LSKs”, Line Select Keys. Neben der Taste steht auf dem Bildschirm um welche Funktion es sich handelt, und da die Tasten nicht mehrfach belegt sind ist die Bedienung simpel. Trotzdem gibt es einige Fallen, dazu später mehr. Mit Tastendruck auf einen LSK schaltet man zwischen verschiedenen Modi derselben Funktion hin und her, muss ein Wert (wie QNH) verändert werden dreht man diesen mit einem der darunterliegenden Knöpfe rein. Wie gesagt – wer das GNS430 bedienen kann ist mit dem Glascockpit selbst schnell vertraut.
Um beim ersten Flug nicht mit Informationen überhäuft zu werden schaltete ich den HSI im unteren Teil des PFD auf seinen einfachsten Modus: eine komplette Kursrose mit Heading-Bug und Kursanzeige (3 andere Modi sind möglich, so auch ein 120-Grad-Segment der Kursrose mit darunter gelegter Route). HSI und Künstlicher Horizont sind auch dem Anfänger intuitiv sofort vertraut, was beim den ersten Flüge eher Probleme macht ist das Ablesen von Speed, Höhe und Vario. Dazu muss man eben genau auf die richtigen kleinen Fenster links und rechts des “Horizonts” schauen, und beim ersten Startlauf ist es normal, dass man erst ein wenig auf dem Display hin- und her blickt bis man sieht, was man sucht. Auch die farbig kodierten Bereiche des Fahrtmessers erschließen sich nicht sofort.
Ganz wichtig ist, dass man sich von Beginn an angewöhnt, den Status des Autopiloten auf dem PFD zu kontrollieren. Ganz oeben steht in grüner Schrift auf dem PFD was George macht – oder in blau was er als nächstes vor hat! Das sollte man verstanden haben bevor man zum ersten Mal auf die Bahn rollt. Drückt man etwa (nach Vorwahl von Zielhöhe und Steigrate) VS und ALT gleichzeitig, so zeigt ein grünes VS auf dem PFD an, dass der A/P sich in diesem vertikalen Modus befindet, daneben steht in blau ALT – womit gesagt ist, dass der Automat eine bestimmte vorgewählte Höhe ansteuert.
Wozu die frühe Einführung in den Autopiloten an dieser Stelle? Der Autopilot in Flugzeugen dieser Klasse nicht mehr das Gerät irgendwo im Panel, das man gelegentlich mal einschaltet um die Karte zu falten – er ist integraler Bestandteil der Flugsteuerung und Bestandteil praltisch jedes Fluges außerhalb der Platzrunde. In der SR22 ist der Flug per Autopilot die Regel, nicht die Ausnahme. Darum hat der Autopilot auch keinen eigenen “On/Off”-Schalter, im Standby-Betrieb ist er immer an.
Bevor man sich auch nur zum allerersten Flug in der SR22 aufmacht, sollte man deshalb zumindest die Basisfunktionen des Autopiloten verstanden haben. Diese Beschreibung bezieht sich auf den Avidyne DFC90, die Bedienung des S-TE unterscheidet sich aber nur in Details. Läuft die Avionik und sind sämtliche Selbststests abgeschlossen so meldet “George” oben links “A/P Ready” in grün. Was muss man vor dem ersten Start dazu noch wissen? Man sollte auf der Bahn stehend den Heading Bug mit der Bahnrichtung synchronisiert haben und zumindest verstehen was passiert wenn man den A/P aktiviert – und natürlich wissen wie man ihn wieder ausschaltet (!):
1. Den Heading Bug stellt man nach dem Line-up auf Runway Heading, indem man den rechten Knopf des PFD einmal drückt (für den rechten Drehknopf ist “Heading” die Default-Einstellung weil man diese Funktion am häufigsten benötigt.
2. Drückt man, zB nach dem Abheben, auf “AP” (am Autopiloten-Bedienpanel) so behält der Automat Pitch und Roll exakt so bei wie sie in diesem Moment waren. Beim DFC90 hat man zusätzlich die Sicherheit, dass der Autopilot die Maschine nicht überzieht. Der DFC90 würde bei Annäherung an den kritischen Anstellwinkel (was er aber mangels Sensor für den Anstellwinkel über die Fahrt macht), die Nase herunter nehmen und sowohl auf dem PFD als auch akustisch warnen: “Underspeed”! Bei einem Start in IMC kann das ein wertvolles Sicherheitsfeature sein.
3. Auschalten geht mit dem roten Knopf am Steuerhorn. (Nervtötendes 16-maliges Piepen kann man durch erneutes Drücken abstellen)
Solchermaßen gerüstet rollt man nach Abarbeiten der Take-off-Checkliste zum ersten Mal auf die Bahn. Auf dem MFD hat man die Triebwerksinstrumente dargestellt, hier sind alle Parameter zu sehen, die man jetzt überwachen muss. Auf den anderen Seiten des MFD kann man bereits IFR- oder VFR-Karten für den Abflug vorauswählen, den Modus (“normal”) und die Range des TCAS-Systems einstellen oder die Range der Terrainwarnung und des Stormscopes wählen . Für die ersten Flüge benutze ich eine Papiercheckliste und nicht die elektronische auf dem MFD. Überhaupt will ich mich zunächst auf den handwerklichen Aspekt des Cirrus-Fliegens konzentrieren.
Die (rein elektrische) Trimmung steht auf Neutral, “Controls Free and Correct”, die Klappen sind auf 50 Prozent ausgefahren. Boost Pump on, Landescheinwerfer an. Noch ein guter Tipp von Philipp: Auf der Runway stellt man sich idealerweise so hin, dass die Nase des Flugzeugs um 15 bis 20 Grad nach rechts zeigt. Warum, das versteht man sofort wenn man die 310 Pferde losläßt. Der große Dreiblattprop will die Maschine augenblicklich nach links zwingen und mangels Bugradsteuerung müsste man sofort massiv in die rechte Bremse treten, was natürlich erstens den Bremsen schadet, zweitens aber kontraproduktiv ist wenn man beschleunigen will – und nicht verzögern.
So aber muss man nicht bremsen – man gibt zügig Vollgas und wenn der Spinner auf dem Weg nach links die Centerline durchquert ist das Seitenruder bereits so wirksam, dass man problemlos die Richtung halten kann. Na ja, bei meinem ersten Start ist das natürlich noch eine Schlangenlinie, aber man ist auch bald erlöst: Die 70 Knoten Vr liegen so schnell an, dass man sich mit dem (leichten) Zug am Steuer beeilen muss. Nur zwei Sekunden nach dem Verlassen des Bodens hat man die 80 Sachen drauf bei denen man die Flaps einfahren muss. Im Anfangssteigflug klettern wir mit über 2000 Fuß pro Minute. So schnell habe ich den Planeten einmotorig schon lange nicht mehr verlassen! Vergleiche ich das mit meiner Piper Warrior so fällt mir nur ein Begriff ein: Warp Drive!
Die ersten Flüge in der SR22
Die (rein elektrische) Trimmung steht auf Neutral, “Controls Free and Correct”, die Klappen sind auf 50 Prozent ausgefahren. Boost Pump on, Landescheinwerfer an. Noch ein guter Tipp von Philipp: Auf der Runway stellt man sich idealerweise so hin, dass die Nase des Flugzeugs um 15 bis 20 Grad nach rechts zeigt. Warum, das versteht man sofort wenn man die 310 Pferde losläßt. Der große Dreiblattprop will die Maschine augenblicklich nach links zwingen und mangels Bugradsteuerung müsste man sofort massiv in die rechte Bremse treten, was natürlich erstens den Bremsen schadet, zweitens aber kontraproduktiv ist wenn man beschleunigen will – und nicht verzögern.
So aber muss man nicht bremsen – man gibt zügig Vollgas und wenn der Spinner auf dem Weg nach links die Centerline durchquert ist das Seitenruder bereits so wirksam, dass man problemlos die Richtung halten kann. Na ja, bei meinem ersten Start ist das natürlich noch eine Schlangenlinie, aber man ist auch bald erlöst: Die 70 Knoten Vr liegen so schnell an, dass man sich mit dem (leichten) Zug am Steuer beeilen muss. Nur zwei Sekunden nach dem Verlassen des Bodens hat man die 80 Sachen drauf bei denen man die Flaps einfahren muss. Im Anfangssteigflug klettern wir mit über 2000 Fuß pro Minute. So schnell habe ich den Planeten einmotorig schon lange nicht mehr verlassen! Vergleiche ich das mit meiner Piper Warrior so fällt mir nur ein Begriff ein: Warp Drive!
Überhaupt kein Faktor bezüglich der Umstellung auf die Cirrus ist der Side Yoke (der eben kein “Side Stick” ist, egal wie oft das geschrieben wird). Schon beim ersten Start benutze ich das Steuer intuitiv. Gewöhnungsbedürftig ist allenfalls die blitzschnell ansprechende elektrische Trimmung für die man aber ebenfalls schnell ein Gefühl bekommt. Auch sonst gibt es wenig Grund, vor der Cirrus Angst zu haben. Man muss nur viel schneller denken als vorher – wenn man direkt von der C-172 oder eben, wie ich, von der Warrior kommt. Und man muss systematischer vorgehen und noch weiter vorausdenken – sonst überholt einen die Maschine schnell.
Die Platzrundenhöhe ist nach kurzer Zeit erreicht und da die Zeit so viel “schneller vergeht” muss man auch sehr viel schneller handeln. 500 Fuß – Boost Pump off, Landescheinwerfer aus. Bei 4000 Fuß schaut man schon mal auf die Tabelle am Panel (ein Aufkleber rechts vom Handschuhfach) und zieht den Mixer heraus bis der Fuel Flow auf 24 Gallonen zurück geht.
Bis man seine Reiseflughöhe erreicht hat stellt man den Fuel Flow mit dem Mixer einfach nach dieser Tabelle ein, schließlich braucht man im Abflug das MFD vor allem für die Navigation. Dazu noch Luftraumbeobachtung und Funk … das Triebwerk muss noch etwas warten bis man es etwas später präzise einstellen wird. Auf dem MFD schaltet man kurz nach dem Start von der “Engine”-Seite entweder die VFR-Anflugkarte oder eben die IFR-Abflugstrecke um.
In einem kleinen Fenster oben links auf dem MFD aber kann man sich die wichtigsten Triebwerksparameter anzeigen lasssen – vor allem die im Steigflug wichtige Zylinderkopftemperatur (CHT) die 380 Grad eigentlich nur in Ausnahmefällen überschreiten sollte. Drehzahl. Ladedruck, Öldruck und -temperatur kann man aber, ebenso wie True Airspeed und Ground Speed direkt auf dem PFD – links und rechts des HSI – ablesen. Eine Orientierungshilfe im Abflug sind die Himmelsrichtungen, die in kleinen weiißen Buchstaben direkt auf der Horizontlinie des PFD stehen.
Den Status des Autopiloten, und das sollte man sich gleich angewöhnen, sieht man in der obersten Zeile des PFD. Zu Anfang steht hier nur “AP Ready”, schaltet man “George” aber ein, so wird der aktuelle Modus (und auch jeder vorgewählte) hier angezeigt: HDG, GPSS; NAV, VS/ALT (mit einer bestimmten Steigrate auf die gewählte Höhe steigen) oder IAS/ALT (dasselbe mit mit einer vorgewählten Speed). Die Möglichkeiten und Features des DFC90 sind vielfältig, darauf werde ich in einem eigenen Artikel eingehen.
Die ersten drei Platzrunden klappen ganz gut. Der wesentliche Unterschied für den Duerchschnitts-VFR-Piloten, der direkt von “der Cessna” kommt ist die viel höhere Geschwindigkeit, die einen in der Platzrunde (man muss es selbst erleben) sofort in Zugzwang bringt. Außerdem ist es zunächst sehr ungewohnt, wie langsam das aerodynamisch hochwertige Flugzeug die Fahrt abbaut wenn man das Gas heraus nimmt – ganz im Gegensatz zu meiner Piper, die praktisch “stehen bleibt” wenn man am Gashebel zieht.
Das handwerkliche Fliegen selbst habe ich von Anfang an als sehr einfach empfunden. Das Flugzeug spricht sensationell gut auf Steuereingaben an, lässt sich mit der sehr effektiven (wenn auch zunächst ungewohnt schnellen!) Trimmung leicht auf die richtigen Speeds trimmen. Bei 119 KIAS fährt man im Anflug die Flaps 50 Prozent aus und trimmt dann im Queranflug auf 90, im Endanflug bei Full Flaps sind 77 KIAS richtig, aufsetzen kann man mit 70. Wenn man 500 Fuß über dem Boden ist kommt etwas Airliner-Atmosphäre auf: “Five Hundred” meldet das ETAWS-System, für mich der Zeitpunkt für den Final Check (Mixer rich, Check Boost Pump und Landescheinwerfer).
Die Optik bei der Ankunft ist anders als bei Cessan und Piper, man neigt deshalb zum flachen Aufsetzen. Man sollte aber auch die Cirrus mit quäkender Stall Warning und “durchgezogen” aufsetzen können. Dann ist die Rollstrecke kurz. Wenn man die richtige (niedrige) Speed drauf hat kann es auch keinen “Tail Strike” geben. Bei meiner zehnten Landung schaffte ich den ersten Abroller, 290 Meter nach dem Zebrastreifen – dazu musste ich aber natürlich kurz aber stark bremsen.
Natürlich hat man anfangs Probleme, auf dem PFD an die richtigen Stellen zu schauen … so ertappte ich mich ganz am Anfang wie ich anstelle der IAS die TAS im kleinen Fenster neben dem Gyro ablas, was mich flugtechnisch nicht gerade weiter brachte Das aber sind Probleme, die man nur in der ersten Stunde hat. Nach zwei, drei Stunden hatte ich mit dem “Glascockpit” kaum noch Probleme. Länger dauert es bis man beginnt den Autopiloten sinnvoll einzusetzen – und ihn auf die richtige Weise überwacht. Richtig ist, dafür die A/P-Statuszeile ganz oben im PFD zu benutzen, die immer den gewählten und den vorgewählten Modus anzeigt. Falsch ist es, auf dem Autopiloten-Panel unten nachzusehen welche Taste gerade in welcher Farbe leuchtet …
Aber genau, um all das zu lernen, wollte ich die Cirrus ja haben ;-)
Alexis von Croy
26.7.2013