Diese Anleitung zum “Lean of Peak”-Betrieb der Cirrus SR22 wurde von Gordon A. Feingold erstellt, einem der erfahrensten Piloten bei COPA, der Cirrus Owners and Pilots Association. Gordon hat mir erlaubt, seinen unter Cirrus-Piloten in den USA als Referenz geltenden Text zu übersetzen und hier auf airwork.biz zu veröffentlichen. Gordons Text, erstmalig erschienen 2003, basiert auf Arbeiten vieler Motorenspezialisten wie John Deakin, Walter Atkinson und George Braly.
Anmerkung der Redaktion:
Diese Anleitung bezieht sich auf SR22-Typen mit Avidyne-Avionik, die über das EMax-System zur Triebwerksüberwachung verfügen. Die zugrunde liegenden Prinzipien sind natürlich auch für neuere Flugzeuge mit Garmin-Perspective-Avionik oder ältere “6-Pack”-Modelle gültig.
Taxi
Nach dem Anlassen, wenn das Triebwerk für 2-3 Minuten aufgewärmt wurde, leant man das Triebwerk bis ein leichter Drehzahlanstieg spürbar wird. Der richtige Punkt ist der ab dem weiteres Leanen zu rauem Motorlauf führt. Bei dieser Einstellung bleibt man beim Rollen und auch für den Runup-Check (ja!) und stellt den Mixer erst dann auf “rich” wenn man für den Start auf die Runway rollt. Für das Rollen sollte man das Gemisch immer so “brutal” abmagern, dass jeder Versuch Vollgas zu geben in einem Stottern des Triebwerks resultieren (was dem Motor nichts ausmacht, nur Ihrem Ego!)
Take-off
Drücken Sie gleich nach dem Start auf die “Normalize”-Taste der EMax-Seite. Damit speichern Sie die Abgastemperaturen (EGT) während des Starts, die Sie nun durch graduelles Leanen während des Steigfluges auf Reiseflughöhe beibehalten. Ich mache das ab 500 Fuß und schalte dann auf die Navigationskarte des MFD um, auf der die Triebwerksdaten ja auch im “Engine Monitoring Block” dargstellt werden.
Während des weiteren Steigflugs achten Sie auf die “Normalized EGT”-Anzeige. Während Sie weiter steigen werden Sie ansteigende negative Werte sehen (z.B. -10, -20, etc.) Was Sie erreichen wollen ist, den Wert mehr oder weniger genau auf “0” zu halten. Wenn Sie “Minus” sehen, müssen Sie leanen (Eselsbrücke: “Minus heißt den roten Hebel zurück ziehen, bei “Plus” muss man ihn nach vorne drücken”). Es scheint allerdings einen Softwarebug im MFD zu geben, der bewirkt, dass der “Engine Data Block” in der richtigen Einstellung (“Normalized Zero”) nur Striche anstatt einer “Null” anzeigt – und zwar für alle drei Parameter! Bis das behoben ist, müssen Sie also versuchen die Striche beizubehalten, nicht die “0”. (Anmerkung: In meiner Maschine ist die neueste SW-Version von Avidyne aus dem Jahr 2103 installiert, ich werde bei meinem nächsten Flug testen, ob der Fehler auch in dieser Version noch auftritt).
Wenn Sie den Steigflug (etwa durch ATC-Anweisung) in einer bestimmten Höhe unterbrechen müssen, sollten Sie nach dem Level-off den aktuellen Fuel Flow notieren. Machen Sie dann das, was Cirrus-Piloten als “Big Mixture Pull” (siehe unten) bezeichnen und lassen Sie die Einstellung in diesem für das Triebwerk sicheren Bereich bis Sie eine Freigabe für den weiteren Steigflug bekommen. Stellen sie jetzt wieder den Fuel Flow ein, den Sie sich notiert haben und verfeinern Sie während des weiteren Steigflugs wieder die Einstellung um die “Normalized-0”-EGT zu halten.
Level-off
Wenn Sie die Reiseflughöhe erreicht haben, bringen Sie die Maschine in den Horizontalflug und lassen Sie alle Einstellungen unverändert bis sich die Geschwindigkeit stabilisiert hat. Das kann in der Cirrus 2-3 Minuten dauern. Stellen Sie dann das Triebwerk mit dem Leistungshebel folgendermaßen ein:
2000 Fuß ………………………………………2500 RPM (Maximaler Ladedruck bei 2500)
4000 Fuß ………………………………………2600 RPM
6000’ Fuß oder höher………………………..2700 RPM
Dem IO-550 macht es nichts aus, auch den ganzen Tag mit 2700 U/min zu laufen. Hier zahlen sich aber gute “noise cancelling”-Headsets aus! Um Lean of Peak zu fliegen, sollten Sie generall mit “WOT”-Einstellung fliegen (Wide Open Throttle) – oder eben den Leistungshebel so weit vorschieben bis die obigen Drehzahlen sich einstellen.
Big Mixture Pull
Der so genannte “Big Mixture Pull” stellt sicher, dass Sie das Gemisch schnell so einstellen, dass das Triebwerk keinen Schaden nehmen kann. Man passiert als durch zügiges Ziehen des Mixturehebels schnellstmöglich den Bereich mit den höchsten Temperaturen und Drücken im Motor – und gelangt zu einem “sicheren Ort” auf den leanen (mageren) Seite der Gemischeinstellung.
Um den B.M.P. durchzuführen ziehen Sie den Gemischhebel sanft aber konsequent und zügig so weit heraus bis sie spüren, dass die Maschine anfängt zu verzögern. Halt! Und jetzt alles so lassen. Der B.M.P. sollte ungefähr fünf Sekunden dauern. Reichern Sie das Gemisch nicht (!) wieder an wenn Sie diesen Punkt erreicht haben. Unterhalb von 10.000 Fuß resultiert diese Einstellung in einem Fuel Flow von etwa 13-14 GPH, weniger wenn Sie noch höher sind.
Peak-EGT finden
Da Sie nach dem Level-off den Big Mixture Pull gemacht haben, hat sich die Angelegenheit mit dem Halten der Take-off-EGTs auf Null nunmehr erledigt. Gehen Sie nun zurück auf die EMax-Seite des MFD und drücken Sie die “Absolute”-Taste. Geben Sie dann dem Motor eine Minute oder zwei, bis die Werte sich stabilisiert haben.
Jetzt verwenden Sie die “Lean Assist”-Funktion von EMax um “Peak EGT” (also den höchsten Wert) zu finden – allerdings machen wir das jetzt von der leanen Gemischseite (!) aus. Das hat zwei Vorteile: Erstens ist die Leistungskurve auf der mageren Seite steiler weshalb das Triebwerk weniger Zeit in der sog. “Red Box” verbringt und zweitens suchen Sie nun den ersten Zylinder, der seine maximale Abgastemperatur erreicht (und nicht den letzten, wie das von der reichen Seite aus der Fall wäre). Auch das führt dazu, dass Sie weniger Zeit in einem für das Triebwerk schädlichen Bereich der “Red Box” verbringen.
Drücken Sie “Lean Find” und fangen Sie langsam an, das Gemisch anzureichern. Achten Sie darauf, wann der erste Zylinder Peak erreicht (der Balken wird dieses Zylinders wird blau). Mit “erster Zylinder” ist übrigens nicht der Zylinder Nummer 1 gemeint, und meistens wird es auch derselbe Zylinder sein, der zuerst “Peak” erreicht. Wenn also der erste der sechs Zylinder Peak erreicht, drücken Sie “Normalize”, um diesen Zylinder bei seiner maximalen EGT auf “Null” zu setzen. Jetzt ziehen Sie den Mixer zurück und stellen das Triebwerk in einem sicheren Bereich “Lean of Peak” ein. Wenn Sie das Konzept der “Red Box” verinnerlicht haben können Sie auch gleich so weit leanen, dass Sie ziemlich nah an der endgültigen Einstellung ankommen.
Die Mixture mit Hilfe der “Red Box”-Tabelle einstellen
Die “Red Box”-Tabelle veranschaulicht die Eckpunkte des roten Bereichs, abhängig von der Leistung, die das Triebwerk gerade abgibt. Die Red Box bezeichnet den Bereich, in dem hohe interne Zylinderdrücke und die daraus resultierenden hohen Temperaturen zu einer Verkürzung der Triebwerks-Lebensdauer führen können. Die Grenzen der Red Box werden als Temperaturen rich of peak oder lean of peak EGT definiert, die Breite der Red Box hingegen ändert sich mit der Veränderung der Leistungsabgabe des Motors (nicht mit der Höhe!).
Um die Mixture nach den Grenzwerten der Red Box-Tabelle einzustellen, muss man immer exakt wissen, welche Leistung im Moment gerade abgibt. Dann kann man auf die Tabelle sehen, die Zeile für die entsprechende Leistung finden und sich vergewissern, dass man sich außerhalb der genannten Limits befindet. Vergleichen Sie die Tabelle mit der Grafik der “Red Fin” (zweite Grafik) wie wir die Red Box auch nennen – dann wird die Sache klar.
Ein Beispiel: Sie fliegen mit 70% Leistung. Ein Blick auf die Tabelle sagt Ihnen, dass Sie bei diesem Power Setting mit 125 Grad oder mehr auf der RICH-Seite fliegen müssen – oder aber mit 25 Grad auf der leanen Seite (“Lean of Peak”). Anmerkung der Redaktion: Eigentlich sind es in der Grafik der Red Fin unten eher 140 Grad als 125 auf der Rich-Seite, in der Praxis verwnden die meisten Piloten 125, offenbar weil man sich das leicht merken kann, 125 bis -25)
Auf jeden Fall sollte man grundsätzlich immer den Bereich zwischen 125 Grad (140…) ROP und -25 Grad LOP meiden, eben diesen Bereich der Red Box für 70 % Leistung, denn das ist der Bereich in dem das Triebwerk Schaden nehmen kann.
Die Red Box ist also bei hohen Power Settings breiter und wird bei niedrigen Power Settings kleiner oder sie verschwindet sogar. Ein Blick auf die Red Box-Tabelle zeigt, dass es bei 60 % Leistung oder weniger keine Red Box mehr gibt, man den Mixer als beliebig einstellen kann (dazu gleich mehr).
Man kann die Angelegenheit auch anders betrachten. Die gleiche Information, hier als “Red Fin” dargstellt.
Jetzt, da Sie wissen wie man die EGT-Limits nach der Tabelle einstellt, brauchen Sie noch die Information “Wie hoch ist die Leistung des Triebwerks?“. Lean of Peak ist die Antwort erstaunlich einfach, denn wenn man in diesem Bereich fliegt, ist die Leistung direkt proprtional zum Fuel Flow. Es stellt sich heraus, dass man den Fuel Flow in Gallonen pro Stunde (GPH) ganz einfach mit 15 multipliziert, um die Leistung in PS zu erhalten. Anschließend teilt man das Resultat durch 310 (die Nennleistung der SR22) und erhält die Leistung in Prozent.
Fuel Flow (GPH) x 15 = Leistung in PS.
Leistung in PS : 310 = Prozent Leistung
Um das zu vereinfachen können Sie auch in die Tabelle schauen. Finden Sie Ihren Fuel Flow in der dritten Spalte und gehen Sie dann rüber in die erste Spalte um die resultierende Prozentzahl zu finden. Dazwischen liegende Werte finden Sie duch interpolieren. Wenn Sie LOP fliegen und einen Fuel Flow von 13, 5 GPH haben, dann beträgt die Leistung 65 Prozent. Sie können für diesen Zweck auch die horizontale Achse der “Red Fin” benutzen.
Wichtig: Bei LOP ist die Prozentanzeige des EMax immer falsch. Ignorieren Sie diese! Benutzen Sie ausschließlich die Red Box-Tabelle – oder den Faktor 15 und einen Rechner, aber nie das EMax zum Feststellen der Leistung wenn Sie Lean of Peak fliegen.
Wie nutzt jetzt alle diese Erkenntnisse in der Praxis um das Gemisch im Flug möglichst präzise einzustellen? Hier ist ein Beispiel: Nehmen Sie an, dass Sie eben in den Horizontalflug übergegangen sind und bereits den “Big Mixture Pull” erledigt haben. Sie haben auch “Peak EGT” gefunden, die Normalize-Taste gedrückt und wieder in eine sichere Region geleant.
Sie benutzen nun die Normalized-Anzeige dieses ersten Zylinders, der “gepeakt” hat. Ignorieren Sie die anderen und nennen Sie diesen Zylinder den “Schlüsselzylinder” – Key Cylinder! Schauen Sie auf den Fuel Flow und sehen Sie in der Tabelle nach wo Sie sind. Angenommen Ihr FF ist 13, 5 GPH. Sie sehen in der Tabelle, dass Ihr Triebwerk momentan 65 Prozent Leistung entwickelt. Sehen Sie auf die EMax-Seite und checken Sie wo sich Ihr “normalized Key Cylinder” in Relation zu Peak EGT befindet. Angenommen die Anzeige ist “-40” . Die Red Box-Tabelle sagt, dass Sie bei 65% Leistung bei 0 Grad LOP oder noch magerer sein müssen.
In anderen Worten: Jede Einstellung magerer als Peak EGT ist okay. Bei -40° sind sie also auf der sicheren Seite, sogar 40 Grad weit. Wenn Sie die Leistung erhöhen und immer noch außerhalb des roten Bereichs bleiben wollen – kein Problem, Sie haben genug Spielraum. Sie könnten zum Beispiel den Fuel Flow auf 14, 5 GPH erhöhen. Ein Blick auf die Tabelle zeigt, dass Sie nun bei 70 % Leistung sind. Wenn Sie jetzt am EMax auf Ihren Key Cylinder sehen und nun (etwa) -25° sehen, dann wisssen Sie, dass das kein Problem ist. -25° für 70 Prozent Leistung ist nämlich auch außerhalb der “Red Fin”, wenn auch genau an der Grenze.
Wäre der Key Cylinder bei -30° bei 70 Prozent Leistung, so könnten Sie sogar wieder etwas mehr in Richtung Rich gehen, um LOP die maximale Leistung zu haben. Wenn Sie aber einen Fuel Flow von 15, 6 hätten und der Key Cylinder -10° anzeigte – AUTSCH! Jetzt wären Sie innerhalb der Red Box, denn bei 15, 6 GPH (75 Prozent Leistung) müssen Sie bei mindestens -40° LOP oder leaner sein!
Was macht man in großer Höhe bei 60 Prozent Leistung oder weniger?
In größeren Höhen wird Ihr Triebwerk nicht mehr als 60 Prozent Leistung entwickeln können. Wie stellen Sie den Mixer in diesen Höhen ein? Eine “Red Box” gibt es ja nicht mehr – aber wie soll man den Motor einstellen? Die Antwort liegt in der Art Ihrer Mission begründet. Wenn die Reichweite keine Rolle spielt und Sie möglichst schnell vorankommen wollen, dann wird eine Einstellung von 50 Grad ROP (Rich of Peak) in der Regel das gewünschte Ergebnis bringen, da Sie hiermit die größte Motorleistung zur Verfügung haben und damit auch die höchste Airspeed. Peak EGT wird fast die selbe Speed bringen, aber bereits etwas Sprit einsparen. Für die maximale Reichweite aber schalten Sie jetzt (in großer Höhe und bei maximal 60 Prozent Leistung!) auf die MFD-Seite “Trip” um, wenn es Ihnen nur um eines geht: So effizient und weit wie möglich zu fliegen.
Schalten Sie auf die Trip-Seite des MFD und, angenommen Ihr Zielflugplatz ist auch der Endpunkt Ihrer Reise, prüfen Sie die Angabe unter “Fuel Remaining” für den Zielflugplatz. Steht dort weniger als Ihnen für den Endpunkt des Fluges angenehm ist, dann leanen Sie bis der Wert, der sich aus der Reduzierung des Fuel Flows ergibt, Ihnen besser gefällt! (Das gilt nicht für die Einstellung “Idle Cutoff”, mit ihr werden Sie keine spektakulären Effizienzrekorde brechen – aber das nur nebenbei :-))
Bei einem IFR-Flug sollte auch Ihr Alternate und der Kurs dorthin im Flugplan enthalten sein, und die verbleibende Spritmenge sollte sich dann natürlich auf den Ausweichflughafen beziehen.
High Power Lean of Peak-Magnetcheck
Die beste Art, das Zündsystem Ihrer Maschine zu testen ist ein “High Power Lean of Peak Magnetcheck”. Der typische Runup-Check am Boden ist nämlich – wenn es um den wirklichen Zustand Ihrer Zündanlage und Zündkerzen geht – nahezu wertlos. Klar, eine defekte oder verschmutzte Kerze entdecken Sie auch am Boden, und dafür ist der Runup-Check auch da, aber um die Zündanlage wirklich zu überprüfen brauchen Sie einen High Power LOP-Magnetcheck.
Gehen Sie zuerst auf die Triebwerksseite des MFD. Drücken Sie dann “Normalize”, um alle EGTs auf Null zu bringen. Dann gehen Sie auf einen Magneten und beobachten die EGT für jeden Zylinder. Lassen Sie 20-30 Sekunden vergehen, lassen Sie sich Zeit denn Sie können das Triebwerk so nicht beschädigen. Alle EGT-Werte sollten nun um ähnliche Werte ansteigen – und diese werden größer sein als dies bei einem Magnetcheck am Boden der Fall ist. Wenn die Abgastemperatur eines Zylinders nicht ansteigt oder sehr viel weniger ansteigt als die übrigen oder unsinnige Werte angezeigt werden, dann haben Sie schon ein Problem gefunden. Es kann sich etwa um eine schlechte oder sogar defekte Zündkerze handeln, und dieser Check zeigt präzise wo das Problem liegt. Testen Sie anschließend den anderen Magneten und Zündkreis.